Den Zweck, eine Rechtsverfolgung zu erleichtern, verfolgt auch § 11 Abs. 1 des am 1.1.2023 in Kraft tretenden LkSG. Er sieht vor, dass der Arbeitnehmer eines typischerweise ausländischen Zulieferers eine in Deutschland ansässige Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen (die Leib oder Leben dieses Arbeitnehmers betreffen) zu seinem Prozessstandschafter machen kann.

Doch mit welchem Ziel? Die Prozessstandschaft setzt eine Anspruchsgrundlage voraus. Indessen ist gem. § 3 Abs. 3 S. 1 LkSG die zivilrechtliche Haftung des deutschen Auftraggebers wegen Verletzung der in dem LkSG geregelten Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern seines Zulieferers ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gesetzgeber wollte keine Schleusen öffnen und die Missachtung menschenrechtlicher Standards allein unter Einsatz des Ordnungs(widrigkeiten)rechts sanktionieren (soâEUR™der Ausschuss des Deutschen Bundestags für Arbeit und Soziales, BT-Drucks 19/30505, S. 39). Eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage muss also außerhalb des LkSG gesucht werden und zwar wegen Art. 4 Abs. 1 lit. a der EU-Rom-I-Verordnung (Recht des Lieferanten) bzw. Art. 4 Abs. 1 der EU-Rom-II-Verordnung (Recht des Erfolgsorts) in einer ausländischen Rechtsordnung (OLG Hamm, Beschl. v.âEUR™21.5.2019 – 9 U 44/19, NJW 2019, 3527; Paefgen ZIP 2021, 2006, 2015 f.).

 

Hinweis:

Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung des Auftraggebers wird es wohl zu einer abweichenden europarechtlichen Vorgabe kommen. Die Entschließung des EU-Parlaments findet sich hier: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0073_DE.pdf; s. dort Art. 19 und 20 des Richtlinien-Entwurfs, die eine zivilrechtliche Haftung nach nationalem Recht vorsehen.

Der Vorschlag der EU-Kommission findet sich hier: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/1_1_183885_prop_dir_susta_en.pdf; s. dort Art. 22, der ebenfalls eine zivilrechtliche Haftung nach nationalem RechtâEUR™fordert, allerdings abgeschwächt durch die ersatzmindernde Berücksichtigung ernsthafter Abhilfeversuche des Unternehmers in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden oder anderen Institutionen. Der Kommissionsentwurf geht nun im weiteren Verfahren an das EU-Parlament sowie anâEUR™den Rat (Stand: 23.2.2022).

Selbst wenn es im LkSG eine Anspruchsgrundlage für die Haftung des Auftraggebers geben wird, sagt dies noch nichts über die Erfolgschancen einer gegen den Auftraggeber gerichteten Klage aus. Dieser könnte sich womöglich mit dem Argument verteidigen, dass die mangelnde Überwachung seines Zulieferers für den Schadenseintritt nicht ursächlich ist, etwa weil der Auftraggeber gegenüber seinem Zulieferer bestimmte Verbote ausgesprochen, dieser sich aber darüber hinweggesetzt hat, obwohl mit solchen Zuwiderhandlungen im Vorfeld nicht zu rechnen war. Die Geschäftsbeziehung und die mangelnde Überwachung müssen also spezifisch gefahrerhöhend gewirkt haben.

 

Hinweis:

Der Mangel an Kausalität muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die fehlende Kausalität wird wohl von dem Auftraggeber zu beweisen sein, weil es sich um einen für Außenstehende nicht überschaubaren Vorgang aus seiner Betriebssphäre handelt (vgl. jurisPK/Lange, 9. Aufl. 2020, BGB § 823 Abs. 1 Rn 164).

Zu berücksichtigen ist, dass der Auftraggeber eine Geschäftsbeziehung gem. § 7 Abs. 3 LkSG nur dann abbrechen muss, wenn Rechtsverletzungen des Zulieferers schwerwiegend und Abhilfemaßnahmen aussichtslos sind. Dadurch dass der Gesetzgeber niederschwellige Rechtsverletzungen des Zulieferers gewissermaßen in Kauf nimmt, ist nicht jeder, sondern eben nur ein schwerwiegender Sorgfaltsverstoß des Auftraggebers haftungsrechtlich relevant. Dies korrespondiert mit der Wertung des § 11 Abs. 1 LkSG.

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