a) Diktion

Da Fachbegriffe (z.B. "Erbe") nicht unbedingt im technischen Sinne zu verstehen sind und ein anscheinend klarer Wortlaut bei der Erbeinsetzung ("Mutter") eine weitere Auslegung nicht ausschließen darf, führt die von der Rechtsprechung verlangte umfassende Ermittlung des wahren Erblasserwillens zu durchaus nachvollziehbaren wie auch überraschenden Ergebnissen. Hierbei ist grundsätzlich diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann (vgl. im Einzelnen Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl. 2015, § 2084 Rn. 2 ff.; ders. a.a.O. § 2087 Rn. 3 ff.).

 

Beispiele:

  • "Vermachen" kann Erbeinsetzung bedeuten (BayObLG FamRZ 1995, 835, 836);
  • "Vererben" wird als Vermächtnisanordnung verstanden (BayObLG FamRZ 1995, 835, 836);
  • Mit "Kinder" können auch Adoptivkinder gemeint sein (OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1206);
  • "Universalerbe" ist als "Alleinerbschaft" oder "Vorerbschaft" einzustufen (BayObLG NJW-RR 1997, 836);
  • "Verwaltung" bedeutet nur ausnahmsweise "Erbeinsetzung" (BayObLG NJW-RR 1989, 837);
  • "Ich möchte vererben" ist eine verbindliche Erklärung mit Testierwillen (BayObLG FamRZ 2001, 944 zu einem besonderen Brieftestament im Rahmen einer Personalangelegenheit);
  • Der Begriff "Erklärungen" in einer Vollmacht bedeutet keine Erbeinsetzung (BayObLG FamRZ 1999, 534);
  • Die Formulierung "Pflichtteil" wird als "gesetzlicher Erbteil" eingestuft (BayObLG FamRZ 2002, 269, 271);
  • Der auf der Buchungsbestätigung eines Fonds vorgenommenen "Todesfallerklärung" fehlt trotz der gesetzlichen Formvorschriften gem. §§ 2247, 2231 Nr. 2 BGB nach den Gesamtumständen der Testierwille für ein testamentarisches Vermächtnis (OLG München FamRZ 2011, 1757);
  • Die Bezeichnung der Bedachten als "Miterben" kann die Anordnung von mehreren Vermächtnissen darstellen (BayObLG FamRZ 2002, 1748).

b) Gesetzliche Auslegungsregeln, §§ 2066 ff. BGB

Für Teilbereiche kann auf gesetzliche Vorschriften zurückgegriffen werden. Wenn die letztwillige Verfügung bei der Bestimmung der Person des Bedachten unzureichend ist und sich ein vorrangiger Erblasserwille aus dem Testament nicht erschließt, können die speziellen gesetzlichen Ergänzungsregeln gem. den §§ 2066 ff. BGB helfen. Sie greifen ein, wenn der Erblasser seine Erben nicht näher bestimmt hat. Die individuelle Auslegung hat generell Vorrang gegenüber gesetzlichen Ergänzungs- und Zweifelsregelungen. Die nachfolgende Auswahl solcher Regeln unterstreicht deren Bedeutung, wobei diese auf Lebenserfahrung beruhen:

  • "Gesetzliche Erben": Gemäß § 2066 BGB wird bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte der Erblasserwille dahin ausgelegt, dass diejenigen Personen erbberechtigt sind, die beim Erbfall die gesetzlichen Erben sein würden.
  • "Meine Verwandten" oder "meine nächsten Verwandten": Erbberechtigt sind gem. § 2067 BGB nach den ermittelten Erbquoten die Personen, die beim Erbfall die gesetzlichen Erben sein würden. Hierunter fällt der Ehegatte nicht.
  • "Kinder": Aus § 2068 BGB folgt, dass für den Fall, dass ein Kind vor der Testamentserrichtung verstirbt, im Zweifel die Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten. Aus der Formulierung "Kinder" wird daher auch geschlossen, dass der Erblasser damit auch die Enkelkinder meint und einbezieht.
 

Hinweis:

Einzelheiten und Übersicht bei und gemäß Leipold, Erbrecht, 19. Aufl. 2012, S. 134 ff.

c) Erbeinsetzung oder Vermächtnis: Auslegungshilfen, § 2087 BGB

Wenn das Testament den Erblasserwillen nicht eindeutig zum Ausdruck bringt bzw. dieser nach den Gesamtumständen nicht ermittelbar ist, kann zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis § 2087 BGB herangezogen werden. Zunächst gilt prinzipiell, dass eine testamentarische Einzelzuwendung, z.B. ein Geldbetrag für eine bestimmte Person, im Zweifel als Vermächtnis (§ 2087 Abs. 2 BGB) anzusehen ist, während die Überlassung von größerem Vermögen (oder ein Bruchteil hiervon) entsprechend den Einzelfallumständen als Erbeinsetzung (§ 2087 Abs. 1 BGB) einzustufen ist, auch wenn der Bedachte nicht ausdrücklich als Erbe bezeichnet ist. Die Rechtsprechung hat zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis Abgrenzungskriterien entwickelt.

aa) Umstände, die für eine Erbeinsetzung sprechen

Die nachstehenden Anhaltspunkte für die Einsetzung eines Erben oder Miterben können für sich von Bedeutung sein oder in Kombination mit anderen Indizien:

  • Gesamtverfügungswille des Erblassers: Er verfügt zugunsten einer Person über den Hauptteil seines Vermögens (BGH ZEV 2000, 195, 196 mit gegenläufigen Beispielen).
  • Überschießendes Vermögen ("das darüber Vorhandene...") wird einem Bedachten zugewandt, ohne ihn als Erben zu bezeichnen (BayObLG NJW-RR 2002, 1232; differenzierend FamRZ 1997, 1178).
  • Beträchtliche Zuwendungen an verschiedene Bedachte als "Erben", aber zusätzlich für einen Bedachten die Verpflichtung, bestimmte Auslagen zu begleichen und die Bestattung zu regeln (BayObLG ZEV 2001, 240).
  • Familienvermögen soll im Familienbesitz bleiben.
 

Hinweis:

Übersichten bei Sarres, Vermächtnis, 1. Aufl. 2009, S. 64; Klinger/Scheuber NJW-Spezial 2008, 135.

bb) Umstände, die für eine Vermächtnisanordnung sprechen

Die nachstehenden Anhaltspunkte für die Vermächtnisanordnung können für sich allein oder in Kombination mit anderen Indizien Bedeu...

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