Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer handschriftlichen Erklärung des Erblassers als Vermächtnis: Würdigung der Gesamtumstände

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die auf einer Buchungsbestätigung eines Fonds befindliche handschriftliche Erklärung eines Erblassers zur Übertragung der Fondsanteile auf seine Lebensgefährtin, die unstreitig der für Testamente gesetzlich vorgesehenen Form gem. §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB entspricht, kann bei Vorliegen eines notariellen Testamentes als weiteres Vermächtnis anzusehen sein; auf Grund der Gesamtwürdigung von Zeugenaussagen und Nebenumständen kann das Prozessgericht aber zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich nicht um eine mit Testierwillen verfasste letztwillige Verfügung des Erblassers handelt.

2. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser - wie im vorliegenden Fall - bezüglich der Abfassung von letztwilligen Verfügungen und deren Bezeichnung gute Sachkunde und Übung hatte.

3. Ein weiteres Indiz für den mangelnden Testierwillen ist darin zu sehen, dass der Erblasser bereits zu früheren notariellen Testamenten eine eigene handschriftliche Ergänzung speziell für Vermächtnisse vorgenommen hat und diese Urkunden auch entsprechend überschrieben hat sowie äußerst genau auf die abgeänderten bzw. ergänzten Testamente Bezug genommen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 1939, 2084, 2147, 2231 Nr. 2, § 2247

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 16.12.2009; Aktenzeichen IV ZR 108/08)

OLG München (Urteil vom 19.03.2008; Aktenzeichen 3 U 4316/07)

LG Traunstein (Urteil vom 14.08.2007; Aktenzeichen 6 O 1977/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 14.8.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, beide Töchter und Erbinnen des am 17.3.2003 verstorbenen Erblassers Eduard W., auf Übertragung von zum Nachlass gehörenden Fondsanteilen in Anspruch.

Der Erblasser hatte der Klägerin in seinem notariellen Testament vom 16.9.2002, in dessen Anlage 2 auch die hier streitigen Fondsanteile als Vermögensbestandteile aufgeführt sind, nicht diese, sondern einen Geldbetrag von 10.400,- EUR als Vermächtnis zugewandt. Seit September 2002 wohnte der an Krebs erkrankte Erblasser bei der Klägerin in deren angemieteten Haus. Der Erblasser war viermal verheiratet, mit der ersten Ehefrau Ursula zweimal, danach mit den Ehefrauen Rosina und Rosemarie. Zum Todeszeitpunkt war der Scheidungstermin bezüglich der letzten Ehe mit Rosemarie bereits anberaumt.

Der Erblasser war als Vermögensberater mehr als 30 Jahre für die Fa. B., eine Tochtergesellschaft der D. Bank-Gruppe, tätig gewesen. Er hatte für sich selbst Fondsanteile der verschiedensten Fonds erworben, so geschlossene oder offene Immobilienfonds oder offene Aktienfonds (sh. Anlagen 1 und 2 zum Testament vom 16.9.2002, hierunter auch Anteile an dem streitgegenständlichen Pioneer-Fonds II Boston US).

Auf einer Buchungsbestätigung des Pioneer-Fonds II Boston US vom 18.9.2002 befindet sich folgende handschriftliche Erklärung des Erblassers, datiert vom 9.11.2002:

"Todesfallerklärung

R., 9.11.2002

Ich, Eduard W., geboren 2.11.1941, wünsche, dass meine Lebensgefährtin, Erika P., geboren 18.10.1942, ab meinem Todestag zu 100 % bei meinem oben genannten Pioneer-Fonds bezugsberechtigt ein soll!

Mf.G. Eduard W.

R., 9.11.2002"

Die Klägerin behauptet, dass der Erblasser ihr vorgenannte Todesfallerklärung (Anlage K 1) am 9.11.2002 ausgehändigt habe und ihr die Fondsanteile ernsthaft habe zuwenden wollen. Die Klägerin meint, dass es sich bei der Todesfallerklärung um ein Vermächtnis handle.

Die Beklagten meinen, dass die Anlage K 1 nicht als Vermächtnis gewertet werden könne und auch keine wirksame Fondsanteilsübertragung unter Lebenden vorliege. Der Erblasser habe sowohl über die Formulierung und Vorgehensweise bei letztwilligen Verfügungen als auch zu Fondsübertragungen definitiv Kenntnisse besessen und nicht dementsprechend gehandelt. Der Erblasser habe sich noch nicht endgültig für eine Zuwendung der Fondsanteile an die Klägerin entschieden gehabt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf das Urteil des LG Traunstein vom 14.8.2007 und die Schriftsätze der Parteien in erster und zweiter Instanz verwiesen.

Prozessgeschichte:

Mit Urteil des LG Traunstein vom 14.8.2007 wurde die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde mit Urteil des OLG München vom 19.3.2008 zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wurde mit Beschluss des BGH vom 16.12.2009 die Revision gegen vorgenanntes Urteil zugelassen und dieses Urteil aufgehoben, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über...

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