Wie bereits gesehen, muss sich der Erbe oder Bevollmächtigte im Rechtsverkehr legitimieren können. Bei einer Verfügung von Todes wegen dient der Erbschein als amtliches Zeugnis über das Erbrecht i.d.R. als Legitimationsnachweis im Rechtsverkehr (Müko/Grziwotz, § 2365 BGB, Rn 1). Hierbei stellt das Gesetz den Erbschein aber nur als eines von mehreren Beweismitteln zur Verfügung; es schließt den Beweis mit anderen Mitteln nicht aus (Müko/Grziwotz, § 2365 BGB, Rn 32). Beispielweise dient die Vorlage eines Eröffnungsprotokolls nebst öffentlichem Testament als Legitimationsgrundlage bei Banken (vgl. Bredemeyer ZEV 2016, 65, 67). Entsprechend können unter Geltung des deutschen Rechts bei Online-Anbietern keine strengeren Maßstäbe gelten (so auch Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass, § 6 Rn 3). Bei einer angeordneten Testamentsvollstreckung dient das Testamentsvollstreckerzeugnis als Legitimationsgrundlage im Rechtsverkehr (§ 2368 BGB). Als Legitimationsgrundlage, bspw. gegenüber dem Grundbuchamt, genügt auch die Vorlage eines öffentlichen Testaments und der Eröffnungsniederschrift zusammen mit der Erklärung der Amtsannahme gegenüber dem Nachlassgericht (OLG München ZEV 2016, 439). Dem Bevollmächtigten dient die Vorlage der Vorsorgevollmacht als Legitimationsgrundlage.

Der Erbschein, das Testamentsvollstreckerzeugnis sowie die Vollmacht dienen dem Erben, Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigten im deutschen Rechtsverkehr als Legitimationsnachweis. Hingegen haben viele Online-Anbieter ihren Sitz im Ausland, wodurch sich die Frage stellt, welches Recht im Erbfall im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr anwendbar ist und wie sich die vorgenannten Personen im Ausland legitimieren können?

1. Anwendbares Recht im Erbfall

Der BGH bestätigt, dass auf Vertragsverhältnisse zwischen Verbrauchern und gewerblichen Online-Anbietern (Verbrauchervertrag), unabhängig davon, ob die Parteien zusätzlich gem. Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 Rom I-VO, grds. deutsches Recht anzuwenden, wodurch der Rechtsnachfolger gem. § 1922 BGB in das Vertragsverhältnis eintritt (BGH ZEV 2018, 582; Naczinsky ZEV 2021, 677). Dies ergibt sich bereits aus Art.6 Abs. 1 Rom I-VO (Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass, § 7 m.w.N.).

Auf Vorsorgevollmachten dürfte die Rom I-VO aber nicht anwendbar sein (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. g) Rom I-VO). Als Anknüpfungspunkt kommt hier zunächst Art. 15 Abs. 1 Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (ESÜ) in Betracht. Dementsprechend ist das Recht des Staats anwendbar, in dem der Erwachsene im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist aber nur eröffnet, wenn ein Erwachsener aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen (vgl. Art. 1 Abs. 1 ESÜ). Entsprechend dürfte das ESÜ nur auf die Vertretung zu Lebzeiten und nicht auf die Vertretung im Erbfall anwendbar sein (Naczinsky ZEV 2021, 677, 678). Als weiterer Anknüpfungspunkt kommt Art. 8 EGBGB, der zum 17.6.2017 in Kraft getreten ist, in Betracht. Artikel 8 Abs. 1 EGBGB erlaubt unter den dort genannten Voraussetzungen die Wahl eines Vollmachtsstatuts bei der gewillkürten Stellvertretung (Naczinsky ZEV 2021, 677, 678; Becker DNotZ 2017, 835 m.w.N.). Die Norm kennt in Abs. 2–8 mehrere Auffang- und Ausnahmetatbestände (Becker DNotZ 2017, 835 m.w.N.), die der Rechtsanwender zu beachten hat. Beispielweise gilt für Grundstücke gem. Art. 8 Abs. 6 EGBGB das Belegenheitsrecht.

2. Nachweis des Erbrechts und Einzelfälle

Der Nachweis des Erbrechts in den Mitgliedsstaaten der EU (ausgenommen Dänemark, Großbritannien und Irland) dürfte i.d.R. durch ein europäisches Nachlasszeugnis zu führen sein (vgl. Art. 62 ff. EuErbVO). Bevor ein Erbschein oder europäisches Nachlasszeugnis aber beantragt werden sollte, ist bei den unterschiedlichen Anbietern zu prüfen, welche Nachweise im Einzelfall benötigt werden. Vielen Anbieter genügt bereits die Vorlage einer Sterbeurkunde oder der Vollmacht. Beispielweise verlangt Twitter die Vorlage einer Kopie des Personalausweises und der Sterbeurkunde ( https://help.twitter.com/de/forms/account-access/deactivate-or-close-account/deactivate-account-for-deceased#:~:text=Wenn%20ein%20Account%2DInhaber%20verstorben,m%C3 %B6glich%20jemand%20bei%20dir%20melden ); bei Google-Accounts ist die Übersendung einer Sterbeurkunde ebenfalls verpflichtend ( https://support.google.com/accounts/troubleshooter/6357590?hl=de#ts=6357652 ).

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