1. Überblick

In einem gerichtlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten sind der Partei die ihr entstandenen Kosten des Anwalts, also dessen Gebühren und Auslagen, zu erstatten (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO).

 

Hinweis:

Hinsichtlich der Hinzuziehung eines Anwalts findet dem Grunde nach eine Notwendigkeitsprüfung nicht statt (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Eine Partei darf sich in jedem Verfahren anwaltlicher Hilfe bedienen, ohne dass zu prüfen ist, ob die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig war. Eine solche Notwendigkeitsprüfung findet im Zivilprozess nicht statt.

Vertritt ein Anwalt sich selbst, kann er Kostenerstattung in eigener Sache verlangen (§ 91 Abs. 1 S. 3 ZPO). Er erhält dann die Kosten erstattet, die angefallen wären, wenn er einen anderen Anwalt beauftragt hätte. Daher kann der Anwalt auch in eigener Sache Reisekosten erstattet verlangen (BGH AGS 2003, 276 = JurBüro 2003, 426 = NJW 2003, 1534 = Rpfleger 2003, 321 = MDR 2003, 656 = AnwBl 2003, 371 = BRAGOreport 2003, 116 = FamRZ 2003, 1175; OLG München AGS 2012, 310 = NJW-RR 2012, 889 = MDR 2012, 939 = NJW-Spezial 2012, 380 = RVGreport 2012, 306 = FamRZ 2012, 1323).

Nach anderen Verfahrensordnungen ist die Notwendigkeit des Anwalts ggf. gesondert zu prüfen, so in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, da § 80 S. 2 FamFG nur auf § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, nicht auch auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, verweist (z.B. OLG Celle AGS 2015, 597 = MDR 2015, 956 = NJW-RR 2015, 1535 = FamRZ 2016, 82 = FuR 2015, 612 = ZEV 2015, 600). Die Hinzuziehung eines Anwalts – das gilt auch für seine Reisekosten – muss notwendig gewesen sein.

Hinsichtlich der Erstattung der Reisekosten eines Anwalts unterscheidet die ZPO in § 91 Abs. 2 S. 1 zwischen

  • dem Anwalt, der im Gerichtsbezirk niedergelassen oder wohnhaft ist (Hs. 1) und
  • dem Anwalt, der seine Kanzlei und seinen Wohnsitz außerhalb des Gerichtsbezirks hat (Hs. 2).

2. Der Anwalt ist im Gerichtsbezirk niedergelassen und wohnt dort

Ist der Anwalt im Gerichtsbezirk niedergelassen und wohnt er auch dort, so sind dessen Reisekosten stets und in voller Höhe erstattungsfähig. Bei dieser Konstellation spielt es keine Rolle, wo der Mandant wohnt oder seinen Sitz hat, also ob er am Gerichtsort, im Gerichtsbezirk oder außerhalb wohnt oder seinen Sitz hat. Dies ergibt sich aus § 91 Abs. 2 Hs. 2 ZPO, wonach eine Notwendigkeitsprüfung hinsichtlich der Reisekosten eines Anwalts nur stattfindet, wenn er seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk unterhält und dort auch nicht wohnhaft ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk stets in voller Höhe ohne Notwendigkeitsprüfung zu erstatten sind. Dies gilt sowohl für die Fahrtkosten als auch für Tage- und Abwesenheitsgeld und sonstige Kosten (VG Würzburg AG kompakt 2012, 102; LG Krefeld AGS 2011, 577 = RVGreport 2011, 235 = JurBüro 2011, 307; AGS 2014, 424 = JurBüro 2014, 377 = NJW-Spezial 2014, 540; VG Koblenz AGS 2012, 546; AG Siegburg AGS 2012, 594 m. Anm. Thiel = NJW-Spezial 2013, 93; AG Limburg AGS 2013, 98 = NJW-Spezial 2013, 124; LG Gera AGS 2014, 251; AG Gießen AGS 2014, 544 = NJW-Spezial 2015, 93 = ErbR 2015, 135; LG Bonn AGS 2016, 31).

3. Der Anwalt ist nicht im Gerichtsbezirk niedergelassen und wohnt dort auch nicht

a) Überblick

Hat der Anwalt seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks und wohnt er auch nicht im Gerichtsbezirk, so ist eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen (§ 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO). Seine Reisekosten sind nur insoweit erstattungsfähig, als seine Hinzuziehung notwendig war. Dabei ist wiederum zu unterscheiden, wo der Mandant seinen Sitz oder Wohnsitz hat.

b) Der Mandant hat seinen Sitz oder Wohnsitz am Ort der Kanzlei des Anwalts

Beauftragt eine Partei einen an ihrem Sitz oder Wohnsitz niedergelassenen Anwalt, ist zunächst die Grundsatzentscheidung des BGH zu beachten (AGS 2003, 97 m. Anm. Madert = Rpfleger 2003, 98 = BGHR 2003, 152 = MDR 2003, 233 = FamRZ 2003, 441 = JurBüro 2003, 202 = AnwBl 2003, 309 = WM 2003, 1617 = NJW 2003, 898 = RpflStud 2003, 89 = BB 2003, 72 = BRAGOreport 2003, 13 = VersR 2003, 877), wonach eine nicht am Gerichtsort ansässige Partei grundsätzlich einen Anwalt an ihrem eigenen Sitz oder Wohnsitz beauftragen darf und dessen Reisekosten im Obsiegensfall in voller Höhe zu erstatten sind. Diesen Grundsatz hat der BGH in ständiger Rechtsprechung bestätigt (z.B. AGS 2004, 260 = FamRZ 2004, 939 = NJW-RR 2004, 858 = JurBüro 2004, 432 = MDR 2004, 838 = zfs 2004, 473 = DAR 2004, 674; AGS 2007, 430 = Rpfleger 2007, 286 = DAR 2007, 296 = AnwBl 2007, 466 = NJW 2007, 2048 = MDR 2007, 802 = FamRZ 2007, 636 = NZBau 2007, 249 = RVGreport 2007, 235). Auch die Instanzgerichte folgen dieser Rechtsprechung.

Lediglich in Ausnahmefällen lehnt die Rechtsprechung die Erstattung der Reisekosten ab, etwa wenn eine fernmündliche oder schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten möglich gewesen wäre.

 

Hinweis:

Diese Grundsätze gelten auch für den Anwalt, der sich selbst vertritt (§ 91 Abs. 2 S. 3 ZPO). Auch er kann grundsätzlich die Reisekosten von seinem Sitz oder Wohnsitz bis zum Sitz des Gerichts geltend machen (BGH AGS 2003, 276 = JurBüro 2003, 426 = NJW 2003, 1534 = Rpfleger 2003, 321 = MDR 2003, 656 = BGHR 2003, 642 = ZInsO 2003, 518 = AnwBl 2003, 371 = VersR 2004, 668 = NJ...

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