Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt, der sich als Naturalpartei in eigener Sache vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst vertritt, hat in der Regel Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 3; RVG-VV Nrn. 7003-7006

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 734,24 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit aus abgetretenem Recht die Unzulässigerklärung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Bekagten begehrt. Das LG München I hat der Klage mit Endurteil vom 4.2.2011 hinsichtlich des zuletzt im Wege der Klageerweiterung gestellten Antrags stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Der in Leipzig ansässige Kläger hatte sich im Verfahren selbst vertreten. Mit Beschluss vom 15.3.2012 hat die Rechtspflegerin die von dem in Leipzig ansässigen Kläger geltend gemachten Reisekosten für die Teilnahme an zwei Terminen beim AG München am 2.8.2010 und beim LG München I am 19.1.2011 i.H.v. insgesamt 734,24 EUR gegen den Bekagten festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Verfahrens- und die Terminsgebühr aus dem vom Gericht festgesetzten Streitwert von 900 EUR im Gesamtbetrag von 397,50 EUR seien vom Beklagten bereits ohne Kostenfestsetzung erstattet worden. Bei Verfahrenskosten in dieser Höhe könnten nicht Reisekosten als Parteikosten i.H.v. 734,24 EUR geltend gemacht werden. Die Terminsvertretung durch den Kläger selbst sei nicht notwendig gewesen, da dieser zu beiden Terminen nicht persönlich geladen gewesen sei. Er hätte sich bei dieser einfach gelagerten Sache durch einen Münchner Unterbevollmächtigten vertreten lassen können. In diesem Fall wäre nur eine 1,0 Verfahrensgebühr i.H.v. 65 EUR angefallen. Die Rechtspflegerin habe die Festsetzung auf Grund einer Entscheidung des 8. Zivilsenats des BGH (NJW 2003, 1534) vorgenommen, die eine dem Gesetz widersprechende Mindermeinung darstelle. Die vom 8. Zivilsenat herangezogene Bestimmung in § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sage nur aus, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertrete, dies nicht umsonst tun müsse, sondern die gleichen Gebühren wie ein von einem anderen beauftragter Rechtsanwalt berechnen dürfe. Zur Frage, ob der Rechtsanwalt auch zu einem auswärtigen Termin reisen dürfe, enthalte die Bestimmung nichts. Demzufolge lehnten auch andere Zivilsenate des BGH die Kostenerstattung in vergleichbaren Fällen ab.

Der Kläger ist dagegen der Auffassung, bei den vom Beklagten zitierten abweichenden Entscheidungen des BGH seien die Sachverhalte im Wesentlichen anders gelagert gewesen. Es seien dort jeweils die Reisekosten von Rechtsanwälten betroffen gewesen, die von Insolvenzverwaltern an deren Sitz mit der Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht beauftragt worden seien. Der Kläger habe vorliegend aber gerade keinen Leipziger Kollegen beauftragt, sondern sich in zulässiger Weise selbst vertreten. Wenn man einen auswärts klagenden Rechtsanwalt zwingen würde, einen am Gerichtsort ansässigen Kollegen zu beauftragen, würde das generelle Selbstvertretungsrecht leer laufen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg. Die Rechtspfegerin hat die vom Kläger geltend gemachten Reisekosten einschließlich Tage- und Abwesenheitsgelder zu Recht als erstattungsfähig angesehen.

1. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt der kostenrechtliche Grundsatz, dass die Hinzuziehung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts durch eine bei einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darstellt (BGH NJW 2003, 898, 901; NJW 2007, 2048).

2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. Eine solche Partei ist nämlich in der Lage, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder telefonisch zu informieren (BGH, a.a.O.; BGH NJW 2003, 2027).

3. Dieser für gewerbliche Unternehmen entwickelte Grundsatz kann nach der Rechtsprechung des BGH und des Senats im Regelfall auf einen Insolvenzverwalter übertragen werden, der selbst Rechtsanwalt ist und einen an seinem Sitz ansässigen Prozessbevollmächtigten bestellt oder gar ein Mitglied der Rechtsanwaltssozietät, der er selbst angehört. Dieser ist nämlich wie sachkundige Mitarbeiter einer Rechtsabteilung in der Lage, einen am Ort des Prozessgerichts tätigen Prozessbevollmächtigt...

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