• Fußgänger tritt kurz vor dem Kfz auf die Fahrbahn (max. 50 m): In dieser Fallgruppe ist grundsätzlich von der vollen Haftung des Fußgängers auszugehen (§ 25 Abs. 3 StVO); eine Mithaftung des Kfz-Halters ist allerdings bei einer überhöhten Geschwindigkeit (§ 3 StVO) oder bei der Einhaltung eines zu knappen Seitenabstands zum Fahrbahnrand (§ 5 Abs. 4 S. 2 StVO) in Betracht zu ziehen (BGH VersR 1975, 1121; KG NZV 2010, 149; OLG Düsseldorf NJW-RR 2018, 925 [20 %]; OLG Hamm NJW-RR 2018, 1233 [33 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 412 f.).
  • Fußgänger befindet sich noch vor der Mittellinie: In dieser Fallgruppe ist i.d.R. von einer Schadensteilung auszugehen, da beide Verkehrsteilnehmer den Unfall mitverursacht haben. Die Quotelung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hat sich der Unfall bei Dunkelheit ereignet, wird der Mithaftungsanteil des Fußgängers wegen der besseren Erkennbarkeit des (beleuchteten) Fahrzeugs sogar höher sein (BGH VersR 1959, 369 [50 %]; OLG Düsseldorf zfs 2013, 676 [100 %]; OLG Köln NZV 2002, 131 [25 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 414 f.).
  • Fußgänger hat die Mittellinie bereits überschritten: Kommt das Fahrzeug aus Sicht des Fußgängers von rechts, wird i.d.R. eine Schadensteilung vorzunehmen sein, da beide Verkehrsteilnehmer den jeweils anderen rechtzeitig hätten sehen können und im Zweifel falsch reagiert haben (der Fußgänger hätte an der Mittellinie warten können, während der Kfz-Fahrer hätte abbremsen oder anhalten können; vgl. BGH VersR 1955, 627 [20 % Fußgänger]; OLG Hamm NJW-RR 2017, 988 [67 % Fußgänger]; Grüneberg, a.a.O., Rn 416). Ereignet sich der Unfall bei Dunkelheit, dürfte i.d.R. eine Schadensteilung (1:1) in Betracht kommen, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die für eine überwiegende Haftung des Kfz-Halters (z.B. fehlendes Fahrlicht) oder für eine überwiegende Haftung des Fußgängers (z.B. dunkle Kleidung oder plötzliches Auftauchen aus einer dunklen Straßenzone) sprechen (BGH VersR 1966, 736; OLG Hamm NZV 2008, 411 [100 % Fußgänger]; OLG Saarbrücken r+s 2010, 479 [100 % Fußgänger]; Grüneberg, a.a.O., Rn 417).

    Kommt das Fahrzeug aus Sicht des Fußgängers von links, ist im Regelfall eine überwiegende Mitverursachung durch das Kfz (bis zur Alleinhaftung) anzunehmen, da sich der Unfall im Grundsatz beim Verbleiben des Kfz auf seiner Fahrspur nicht ereignet hätte (BGH VersR 1967, 1202 [100 %]; OLG München NZV 1996, 115 [100 %]; NZV 1994, 188 [100 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 418 f.).

  • Fußgänger hat die andere Straßenseite fast erreicht: Auch wenn der Fußgänger die Überquerung der Straße nahezu abgeschlossen hat, geht die Rechtsprechung in diesen Fällen i.d.R. von einer Schadensteilung mit einer teilweise nicht unerheblichen Haftungsquote zu Lasten des Fußgängers aus; dies ist dann gerechtfertigt, wenn der Fußgänger wegen des herannahenden Fahrzeugs an der Mittellinie hätte stehenbleiben müssen (BGH VersR 1964, 846 [33 %]; OLG Dresden NJW-RR 2017, 1303 [100 %]; OLG Koblenz NZV 2012, 177 [20 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 420 f.).
  • Fußgänger bleibt auf der Fahrbahn stehen: Bleibt der Fußgänger auf der Fahrbahn stehen, um die Vorbeifahrt des Kfz abzuwarten, ist i.d.R. von der vollen Haftung des Fahrzeughalters auszugehen (BGH VersR 1959, 833; OLG Hamm NZV 1995, 234; OLG Nürnberg VersR 2001, 1303). Setzt dagegen der Fußgänger plötzlich seinen Weg fort, kommt eine Schadensteilung (1:1) in Betracht, da mit einem solchen Verhalten auch der Kfz-Fahrer rechnen muss und deshalb vorsichtiger hätte fahren müssen (BGH VersR 1968, 848 [60 %]; KG DAR 2009, 333 [50 %]; OLG Hamm NZV 2003, 181 [40 %]).
  • Fußgänger kehrt auf der Straße wieder um: In dieser Fallgruppe kommt i.d.R. eine Schadensteilung in Betracht; die Alleinhaftung des Kfz-Halters kann u.U. dann angenommen werden, wenn der Fahrer das Verhalten des Fußgängers durch eigenes Zutun (Hupen, unklare Fahrweise, etc.) veranlasst hat (BGH VersR 1965, 1054 [100 % Kfz]; KG NJW-RR 1986, 1287 [100 % Fußgänger]; Grüneberg, a.a.O., Rn 424 f.).
  • Fußgänger ist betrunken: Hier wird i.d.R. wird von einer Mithaftung des Fußgängers von 1/3 bis ½ auszugehen sein, wobei es insoweit auf die Erkennbarkeit der Alkoholeinwirkung für den Kfz-Fahrer und auf dessen Reaktion ankommt (BGH VersR 1968, 897 [50 %]; OLG Hamm DAR 2002, 165 [50 %]; OLG Saarbrücken VersR 1989, 758 [50 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 426 f.). Der betrunkene Fußgänger ist eine „hilfsbedürftige Person“ i.S.d. § 3 Abs. 2a StVO (BGH VersR 2000, 199).
  • Überhöhte Geschwindigkeit des Kfz, irreführende Fahrweise: Eine überhöhte Geschwindigkeit des Kfz führt i.d.R. zu dessen überwiegender Haftung von ½ bis 2/3 je nach dem Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung (§ 3 StVO). Gleiches gilt für eine irreführende Fahrweise des Kfz, wie z.B. Geradeausfahrt trotz eingeschaltetem Blinker (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rn 428–430) oder kurzes Anhalten vor dem Abbiegen (OLG Dresden NZV 1999, 293).
  • Unfälle in der Nähe einer Haltestelle: Ereignet sich der Unfall beim Verlassen der Haltestelle durch den Fußgänger, wird i.d.R. von der überwi...

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