Dem Urteil des BAG v.16.12.2021 – 6 AZR 154/21 (NZA 2022, 1005 = NJW 2022, 2428) lag als Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin hat mit ihrer fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage u.a. durch einen Kündigungsschutzantrag gem. § 4 S. 1 KSchG die Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung geltend gemacht sowie daneben beantragt, festzustellen, „dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände, insb. weitere Kündigungen, aufgelöst worden ist”. Das ArbG hat die gesamte Klage abgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin ihre Anträge, mit Ausnahme eines Weiterbeschäftigungsantrags, uneingeschränkt weiterverfolgt, also auch den vorgenannten Feststellungsantrag.

Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sprach der Beklagte eine Nachkündigung aus, die der Klägerin am 15.9.2020 zuging. Mit Schriftsatz vom 11.11.2020 hat der Beklagte den von der Klägerin gegen die erste Kündigung erhobenen Kündigungsschutzantrag anerkannt. Daraufhin hat diese mit Schriftsatz vom 12.11.2020, dem Beklagten am 24.11.2020 zugestellt, insoweit den Erlass eines Teilanerkenntnisurteils beantragt und sich nunmehr auch mit einem Kündigungsschutzantrag gem. § 4 S. 1 KSchG gegen die Nachkündigung vom 15.9.2020 gewandt. Das LAG hat im Hinblick auf die erste Kündigung Teilanerkenntnisurteil erlassen und bezüglich des den auf die zweite Kündigung bezogenen Kündigungsschutzantrags die Berufung zurückgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Ausgehend vom zweigliedrigen Streitgegenstand-Begriff, der sich aus Klageantrag und Klagegrund zusammensetzt (s. BAG, Beschl. v. 3.12.2020 – 7 AZB 57/20, NZA 2021, 411 Rn 25), ist Gegenstand und Ziel einer Kündigungsschutzklage die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Falls der Klage stattgegeben wird, steht zugleich fest, dass das Arbeitsverhältnis vor oder bis zu diesem Termin auch nicht aufgrund eines anderen Umstandes geendet hat und dass zum angestrebten Auflösungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch bestanden hat, selbst wenn dieser Umstand von keiner Seite in den Prozess eingeführt wurde.

Demgegenüber ist Streitgegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO – mit dem Antrag „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den (...) hinaus fortbesteht” (Küttner Personalbuch 2022/Schmidt, Stichwort 264, Rn 30) der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Mit einem solchen Antrag sollen Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, sämtliche (denkbaren künftigen) Beendigungsgründe gewissermaßen auf Vorrat prozessual mit aufzugreifen, auch wenn die Prozessvoraussetzungen für eine zulässige Klage erst im Prozessverlauf eintreten (sog. Schleppnetzantrag).

Es ist in der Rechtsprechung des BAG anerkannt (m.w.N. in Rn 16 der Entscheidung), dass Arbeitnehmer neben einer nach § 4 KSchG gegen eine bestimmte Kündigung gerichtete Klage eine solche allgemeine Feststellungsklage erheben können und damit zwei selbstständige prozessuale Ansprüche geltend machen, die zulässig nach § 260 ZPO in einer Klage zu verbinden sind. Gleichermaßen hat das BAG bereits entschieden (Rn 17 ff.), dass es keine Klageänderung gem. § 264 Nr. 2 ZPO darstellt, wenn Arbeitnehmer im Hinblick auf eine im Laufe des Rechtsstreits erklärte (Nach-)Kündigung neben dem allgemeinen Feststellungsantrag einen Kündigungsschutzantrag (sog. Punktualisierung) stellen, was ebenso für eine erst im Lauf des Berufungsverfahrens erklärte Kündigung gilt. Realisieren Arbeitnehmer insoweit einen in der Berufung angefallenen, allgemeinen Feststellungsantrag, unterliegen sie dabei nicht den Einschränkungen des § 533 ZPO für Klageänderungen in der Berufungsinstanz. Das BAG korrigiert insoweit die gegenteilige Auffassung des LAG.

Greifen Arbeitnehmer eine im Laufe des Berufungsverfahrens erklärte Arbeitgeberkündigung nicht mit einer gesonderten Klage vor dem Arbeitsgericht, sondern im Rahmen dieses Berufungsverfahrens an, müssen sie dies unter Wahrung der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG tun. Unter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung entscheidet das BAG, dass diese Dreiwochenfrist nicht zu beachten ist, wenn die allgemeine Feststellungsklage bereits zuvor im Berufungsverfahren angefallen ist. Mit dieser Klage wird die Frist des § 4 S. 1 KSchG auch dann gewahrt, wenn diese erst nach Ablauf von drei Wochen nach Kündigungszugang punktualisiert wird (Rn 23 ff. der Entscheidungsgründe).

Offen lässt der Senat, ob ein im Berufungsverfahren angefallener allgemeiner Feststellungsantrag die Dreiwochenfrist im Hinblick auf eine im Laufe des Berufungsverfahrens zugegangene weitere Kündigung auch dann wahrt, wenn Arbeitnehmer den Antrag nicht punktualisieren.

 

Hinweise:

1. Die allgemeine Feststellungsklage (neben der gegen eine bestimmte Kündigung gerichtet...

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