(LG Berlin, Urt. v. 29.9.2021 – 64 S 111/20) • Eine Modernisierungsmieterhöhung bedeutet für einen Grundsicherungsempfänger regelmäßig insoweit eine Härte i.S.v. § 559 Abs. 4 S. 1 BGB, als die Miete in Folge der Erhöhung über die – in Berlin nach der „AV-Wohnen” zu ermittelnden – angemessenen Unterkunfts- und Heizkostenaufwendungen hinausginge. Denn dann müsste der Mieter mit der Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens und in dessen Folge mit dem Verlust der Wohnung rechnen. Ein Mieter lebt nicht offensichtlich „über seine Verhältnisse”, wenn das Mietverhältnis schon lange Zeit (hier: 21 Jahre) besteht. Denn dann spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Mieter nachhaltig zur Finanzierung der Wohnung in der Lage ist. Würde erst die streitige Mieterhöhung dazu führen, dass die Miete über die angemessenen Unterkunfts- und Heizkostenaufwendungen hinausginge, so würde der Mieter erst in Folge der Mieterhöhung „über seine Verhältnisse” leben; eben davor soll § 559 Abs. 4 S. 1 BGB ihn jedoch bewahren. Der Streitwert der Feststellungsklage, dass die Miete nicht erhöht worden sei, richtet sich nach dem Jahresbetrag der streitigen Mieterhöhung. Hinweis: Im Rahmen der Grundsicherung muss das zuständige Jobcenter die angemessenen Unterkunfts- und Heizkostenaufwendungen gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II übernehmen. Die Berechnung der Höhe dieser angemessenen Aufwendungen wird durch die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gem. § 22 SGB II und §§ 35, 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 2.2.2021 der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Berlin konkretisiert. Dabei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die zwar keine unmittelbare Außenwirkung entfalten, aber über Art. 3 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung das Jobcenter rechtlich binden. Es wird ein sog. Wirtschaftlichkeitsvergleich vorgenommen, indem zunächst die angemessene Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete nebst Betriebskostenvorauszahlung) mit den angemessenen Heizkosten addiert wird. Dabei kann i.R.d. Berechnung der angemessenen Kaltmiete bereits ein Modernisierungszuschlag berücksichtigt werden. Zudem ist ein weiterer Härteaufschlag „Umzugsvermeidung” eingerechnet, der sich nach dem angemessenen Bruttokaltmietrichtwert berechnet und der bei einem Einpersonenhaushalt – unabhängig von sonstigen Zuschlägen wie etwa dem Modernisierungszuschlag – 42,15 EUR beträgt.

ZAP EN-Nr. 596/2021

ZAP F. 1, S. 1171–1172

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