Leitsatz

  • Rechtsnachfolgerhaftung sogar hinsichtlich der sog. Abrechnungsspitze in Frage gestellt

    Insbesondere keine Verpflichtung des Zwangsverwalters, die sog. Abrechnungsspitze vorweg zu befriedigen

    Gültige Beschlussfassung auf volle Jahres-Wohngeldvorauszahlung bei Säumnis einer Monatsrate

 

Normenkette

§ 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 28 Abs. 3 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, § 152 ZVG, § 155 Abs. 1 ZVG

 

Kommentar

Mit der bekannten Wohngeld-Erwerberhaftungsproblematik hat sich auch in sehr ausführlich begründeter Weise das AG Kerpen beschäftigt und entgegen bisher herrschender Rechtsmeinung eine doch überraschende, jedoch diskussionswürdige Beschlussentscheidung getroffen. So wurde vom AG insbesondere festgestellt:

1. Ein Zwangsverwalter ist nur anfechtungsberechtigt hinsichtlich solcher Beschlüsse der Eigentümer, die seine Rechtsstellung betreffen (im Anschluss an eine erfolgte Beschlagnahme der Schuldnerwohnung). Ein Abrechnungsjahr mit Abrechnungsgenehmigungsbeschlüssen im Folgejahr (zeitlich gefasst nach erfolgter Zwangsverwaltungs-Beschlagnahme) betrifft hier nicht den Zwangsverwalter, auch nicht hinsichtlich der sog. Abrechnungsspitze (im Sinne von BGH, Entscheidung vom 30. 11. 1995, Az.: V ZB 16/95), bezogen auf das vorausgehende Geschäftsjahr.

2. Über die Verpflichtung des Zwangsverwalters, Ansprüche der Gemeinschaft gem. § 155 Abs. 1 ZVGvorweg zu befriedigen, ist in Anlehnung an die Haftung des Erwerbers von Wohnungseigentum zu entscheiden. Hier vermag allerdings die von der Rechtsprechung entwickelte Haftung des Erwerbers in Einzelabrechnungen allein bezogen auf die sog. Abrechnungsspitze nicht zu überzeugen; ein Erwerber haftet auch nicht für Rückstände (d.h. abgerechnete Nachzahlungsschulden), die bereits vor dem Erwerb abgeschlossene Wirtschaftsjahre betreffen (in Anlehnung an frühere BGH-Rechtsprechung, NJW 85, 2717 und NJW 88, 1910). Damit ist auch ein Zwangsverwalter nicht verpflichtet, eine sog. Abrechnungsspitze (also das Saldo der Einzelabrechnung unter Abzug der Sollzahlungen des Eigentümers im vorangegangenen Geschäftsjahr) vorweg zu befriedigen.

Ihm steht dann auch konsequenterweise kein Anfechtungsrecht hinsichtlich solcher Abrechnungen aus Vorjahren zu, die vor der Beschlagnahme der betreffenden Eigentumswohnung liegen.

Insoweit besitzt ein Rechtsnachfolger und damit auch ein Zwangsverwalter kein Stimmrecht zu Fragen der Genehmigung früherer Gesamt- und Einzelabrechnungen (die also ein Geschäftsjahr vor einem Eigentumsübergang bzw. vor einer Zwangsverwaltungsbeschlagnahme betreffen).

Ausführlich begründet wird dieses Ergebnis des AG mit Rechtsgedanken zu § 16 WEG, d.h. dem Äquivalent interner Lastentragung zu entsprechenden anteiligen Nutzrechten der Eigentümer und dem tatsächlichen Anfall der abgerechneten Kosten im vorausgegangenen Geschäftsjahr.

Gleichzeitig setzt sich das AG kritisch mit der bisherigen Argumentation der neuen BGH-Rechtsprechung auseinander, behandelt auch Stimmrechtsfragen (Ermächtigungs- und Übertragungsmöglichkeiten), die Gläubigerstellung von saldierten Guthaben zum vorausgegangenen Geschäftsjahr, die "sachbezogene" Bindungswirkung an die Miteigentümerstellung eines Eigentümers und insbesondere das Rangverhältnis von Gläubigerforderungen und insoweit nicht zulässiger Benachteiligung eines Zwangsverwalters.

Betrifft eine Abrechnung das vorausgegangene Geschäftsjahr, sind auch saldierte Nachzahlungen in richtiger Passivlegitimation allein dem Eigentümer anzulasten, der im abgerechneten Geschäftsjahr Eigentümerstellung besaß (bei nachfolgender Zwangsverwaltung auch nach wie vor besitzt). Ein Rechtsnachfolger ist hier zu Abrechnungsfragen des vorausgegangenen Geschäftsjahres weder stimm- noch anfechtungsberechtigt.

3. Im Beschlusswege können auch Eigentümer festlegen, dass Miteigentümer, die mit ihrem Wohngeld im Rückstand sind, das auf das ganze Jahr entfallende Wohngeld nicht in monatlichen Raten, sondern sofort in voller (Restjahres- bzw. Jahres-)Höhe zu entrichten haben. Ein solcher Mehrheitsbeschluss mit Stundungs- und Fälligkeitsregelung entspricht "ohne weiteres" Grundsätzen ordnungsgemäßer ("effizienter") Verwaltung, liegt im Interesse aller Wohnungseigentümer und ist ebenso sinnvoll wie eine Beschlussfassung zum Lastschrifteinzugsverfahren.

 

Link zur Entscheidung

( AG Kerpen, Beschluss vom 08.12.1998, 15 II 44/98= ZMR 2/1999, 126ff.)

zu Gruppe 5:  Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

1. Diese neue Entscheidung des AG geht sogar in Tenor und Begründung noch weiter als die jüngst getroffene Beschlussentscheidung des KG Berlin, Beschluss vom 18. 11. 1998, Az.: 24 W 5437/97mit Vorlage an den BGH (vgl. meine Anmerkung). Nach Meinung des AG soll wohl ein Rechtsnachfolger nicht einmal mehr für die sog. Abrechnungsspitze der Gemeinschaft gegenüber haften müssen, wenn die Gesamt- und Einzelabrechnungen erst zeitlich nach einem Eigentumswechsel bzw. einem Zuschlag in der Zwangsversteigerung oder einer Zwangsverwaltungs-Beschlagnahme erfolgten. Das Argu...

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