Leitsatz

  1. Zwangsverwalter schuldet nur die sog. Abrechnungsspitze!
  2. Bestätigung der sog. Fälligkeitstheorie (entgegen der sog. Aufteilungstheorie)
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 2 und 3 WEG; §§ 151, 155 ZVG

 

Kommentar

  1. Der Zwangsverwalter eines Wohnungs- oder Teileigentums ist verpflichtet, als Ausgabe der Verwaltung die sog. Abrechnungsspitze der während seiner Verwaltung von den Wohnungseigentümern beschlossenen Jahreseinzelabrechnung vorab zu bezahlen. Es kommt nicht darauf an, ob er für den Zeitraum, den die Einzelabrechnung umfasst, schon als Zwangsverwalter bestellt war (Anschluss an BayObLG, FG Prax 1999, 138 = BayObLGZ 1999, 99).
  2. Auch wenn – fehlerhaft – Einzelabrechnungen mehrerer unter Zwangsverwaltung stehender Sondereigentumseinheiten zusammengefasst wurden, waren die Einzelabrechnungsbeträge mit Nachzahlungssalden klar erkennbar und nicht nur berechenbar. Es handelt sich insoweit um vollständige Einzelabrechnungen, bei denen lediglich die Aufteilung auf die (hier: 4) Sondereigentumseinheiten unterblieben ist. Ein solcher Fehler macht Abrechnungen nicht nichtig. Mangels Anfechtung wurde der Genehmigungsbeschluss deshalb auch bestandskräftig.
  3. Der Zwangsverwalter war vorliegend zur Bezahlung der sog. Abrechnungsspitze aus der bestandskräftigen Abrechnung im Sinne der anzuwendenden Fälligkeitstheorie verpflichtet. Vorweg sind von einem Zwangsverwalter nach § 155 Abs. 1 ZVG die Ausgaben der Verwaltung zu bezahlen, die während der Beschlagnahme fällig wurden, damit auch alle Kosten und Lasten gem. § 16 Abs. 2 WEG (h. M.). Als "Ausgaben der Verwaltung" sind diejenigen anzusehen, die nach Anordnung der Zwangsverwaltung (erstmals) fällig werden. Allerdings nur für den nach der Einzelabrechnung auf den jeweiligen Wohnungseigentümer entfallenden Betrag, der die nach dem Wirtschaftsplan beschlossenen Vorschüsse übersteigt, wird originär eine (neue) Schuld begründet (BGH, NJW 1999, 3713). Ein Zwangsverwalter schuldet damit nicht Beitragsrückstände, die im Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsverwaltung bereits fällig waren. Aus diesem Grund sind im Schuldsaldo der Jahresabrechnung nicht bezahlte und vor Beschlagnahme fällig gewordene Vorschüsse von der (Rest-)Schuld nicht vom Zwangsverwalter zu bezahlen, selbst wenn der Beschluss über die Abrechnung nach der Beschlagnahme gefasst wurde (vgl. auch BayObLG, FGPrax 1999 138). Der Senat lehnt hier die sog. Aufteilungstheorie ab, welche darauf abstellt, ob die Leistung der Gemeinschaft nach einer Beschlagnahme erbracht wurde und nicht entscheidend sei, wann gemeinschaftsrechtliche Ausgleichspflichten im Innenverhältnis einer Gemeinschaft begründet werden (vertreten z. B. von Jennißen, Die Verwalterabrechnung nach dem WEG, 5. Aufl., Kap. VIII, Rn. 20 ff.; vgl. auch Wenzel, ZInsO 2005, 113, 115 f.). Nach Auffassung des Senats ist vielmehr auf die erstmalige Fälligkeit einer Forderung abzustellen.
  4. Im vorliegenden Fall konnte die Forderung gegen den Zwangsverwalter auf Zahlung der Abrechnungsspitze auch nicht als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB angesehen werden. Es gab hier keine bewussten Manipulationen mit dem Ziel einer möglichst hohen Abrechnungsspitze oder hinsichtlich des Zeitpunkts der Beschlussfassung, um dadurch neben dem insolventen Eigentümer einen weiteren Schuldner zu erhalten. Auch die Abrechnungsgenehmigungsbeschlussfassung zum vorausgehenden Geschäftsjahr erfolgte im Mai des Folgejahrs, d. h. im üblichen zeitlichen Rahmen, zumal hier Zwangsverwaltung bereits im Dezember des Geschäftsvorjahrs angeordnet wurde.
  5. Hinsichtlich der einzelabgerechneten Nachzahlungsschuld waren die vor Stellung des Zwangsverwalters fällig gewordenen Wohngeldbeiträge abzuziehen, ebenso Direktzahlungen seitens eines Mieters, die sich wirtschaftlich als Leistung des Zwangsverwalters darstellten, da er darüber verfügungsbefugt war. Es handelte sich insoweit nicht um Leistungen "eines Dritten", sondern die Leistung "durch einen Dritten" i. S. d. § 267 BGB. Die Drittzahlungen waren deshalb zu Gunsten des Zwangsverwalters zu verbuchen.
Anmerkung

Der Senat hat mit dieser Entscheidung zu Recht auf die frühere Rechtsprechung des BGH von 1999 zur sog. Abrechnungsspitze Bezug genommen, ebenso zur Übertragung dieser Grundsätze auch auf einen verfügungsberechtigten Zwangsverwalter (ähnlich einem Rechtsnachfolger eines Wohngeldschuldners). Abgestellt wurde in diesem Zusammenhang auch auf die vom BGH bereits bestätigte Fälligkeitstheorie. Damit entspricht es h. M., dass ein Rechtsnachfolger bzw. Verfügungsberechtigter Abrechnungssalden aus "nicht manipulierten" Genehmigungsbeschlüssen an den Verband zu bezahlen hat, wenn die Beschlussfassung nach Eigentums- bzw. Verfügungswechsel erfolgte und insoweit Nachzahlungssalden fällig wurden. Von solchen Abrechnungssalden wären nur Wohngeldbeitragsschulden abzuziehen, die bereits vor einem Eigentums- oder Verfügungswechsel etwa auf der Anspruchsgrundlage eines Wirtschaftsplans oder eines früheren Sonderumlagebeschlusses fällig wurden. In diese...

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