Rdn 4062

 

Literaturhinweise:

Bleicher, Das "letzte Wort" (§ 258 Abs. 2 StPO) Echte Einwirkungsmöglichkeit des Angeklagten, (nur) Stolperstein für die Instanzgerichte oder (letzte) Chance im Revisionsverfahren?, StRR 2013, 404

Rübenstahl, Der "Wiedereintritt in die Verhandlung" und die erneute Erteilung des letzten Worts (zur Auslegung von § 258 Abs. 2, Abs. 3 StPO). Zugleich Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 17.2.2003 – 2 StR 443/02 –, GA 2004, 33

Schlothauer, Wiedereröffnung der Hauptverhandlung und letztes Wort, StV 1984, 134

s.a. die Hinw. bei → Letztes Wort des Angeklagten, Teil L Rdn 2209.

 

Rdn 4063

1. Die Frage, ob das Gericht nach dem → Schluss der Beweisaufnahme, Teil S Rdn 2915, noch einmal in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist vor allem bedeutsam für das → Plädoyer des Verteidigers, Teil P Rdn 2447, und für das → Letzte Wort des Angeklagten, Teil L Rdn 2209, und ggf. auch für die nochmalige Setzung einer Frist zur Stellung von Beweisanträge nach § 244 Abs. 6 S. 3 (→ Beweisantrag, Fristsetzung, Teil B Rdn 1136). Denn sowohl der Angeklagte als auch sein Verteidiger dürfen nach erneutem Schluss der Beweisaufnahme ohne Rücksicht auf Umfang und Bedeutung der Weiterverhandlung abermals das Wort ergreifen. Ob das immer auch gilt, wenn es sich um einen den Mitangeklagten betreffenden Vorgang handelt, wie z.B. die Verkündung/Invollzugsetzung eines HB, hat der BGH (StV 1997, 339) offengelassen (vgl. aber BGH StV 2011, 339 für Aufhebung eines HB). M.E. wird man von einem Wiedereintritt in diesen Fällen dann ausgehen können/müssen, wenn durch die den Mitangeklagten betreffende Entscheidung auch die Verteidigungsposition des anderen Angeklagten betroffen ist (s.a. BGH, a.a.O.).

 

☆ Die Revision kann darauf gestützt werden, § 258 sei dadurch verletzt, dass nach einem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme dem Verteidiger/dem Angeklagten nicht nochmals Gelegenheit zum Plädoyer bzw. zum letzten Wort gegeben worden ist. Das Urteil muss aber auf dem Verstoß beruhen (dazu BGH StraFo 2009, 333; NStZ-RR 1998, 15; KK- Ott , § 258 Rn 37 m.w.N.; s.a. BGH StV 2000, 296). Zum erforderlichen Revisionsvorbringen gehören genaue Angaben zum Ablauf der HV (BGH NStZ 1990, 230 [M]).Revision kann darauf gestützt werden, § 258 sei dadurch verletzt, dass nach einem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme dem Verteidiger/dem Angeklagten nicht nochmals Gelegenheit zum Plädoyer bzw. zum letzten Wort gegeben worden ist. Das Urteil muss aber auf dem Verstoß beruhen (dazu BGH StraFo 2009, 333; NStZ-RR 1998, 15; KK-Ott, § 258 Rn 37 m.w.N.; s.a. BGH StV 2000, 296). Zum erforderlichen Revisionsvorbringen gehören genaue Angaben zum Ablauf der HV (BGH NStZ 1990, 230 [M]).

Für die Revision ist eine vorherige Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 nicht erforderlich (BGHSt 21, 288; vgl. i.Ü. Meyer-Goßner/Schmitt, § 258 Rn 33 m.w.N.).

 

Rdn 4064

2.a) Grds. liegt ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme schon immer dann vor, wenn der Wille des Gerichts zum Weiterverhandeln in Erscheinung getreten ist (KK-Ott, § 258 Rn 24). Das gilt vor allem, wenn eine Prozesshandlung vorgenommen wurde, die in den Bereich der Beweisaufnahme gehört und/oder Einfluss auf die gerichtliche Entscheidung haben könnte (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 20.9.2017 – 1 StR 391/16, NJW 2018, 414; NStZ 2005, 395; NStZ 2015, 105 m. Anm. Grube StRR 2014, 494; NStZ 2015, 658; StV 2010, 227; 2015, 473; 2017, 797; 2018, 495; BayObLG NJW 1957, 1289). Wiedereintritt in die Beweisaufnahme ist also gleichbedeutend mit Wiedereröffnung der Verhandlung (BGH NStZ 1993, 551; Beschl. v. 5.2.2019 – 3 StR 469/18, StV 2019, 813; vgl. a. Schlothauer StV 1984, 134; Bleicher StRR 2013, 404407). Ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme mit der Verpflichtung, dem Angeklagten ­(erneut) das letzte Wort zu erteilen, besteht nur dann nicht, wenn nach dem letzten Wort ausschließlich Vorgänge erörtert werden, die auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss haben können (BGH, Beschl. v. 20.9.2017 – 1 StR 391/16, NJW 2018, 414; NStZ 2015, 658; StV 2015, 473). Wird nur zu einem Teil der Anklagevorwürfe erneut in die HV eingetreten, muss dennoch insgesamt erneut das letzte Wort erteilt werden (BayObLG StV 2002, 240 [Ls.]).

 

☆ Ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme setzt keinen Gerichtsbeschluss oder eine sonstige ausdrückliche Anordnung voraus, sondern kann auch stillschweigend geschehen (LR- Stuckenberg , § 258 Rn 4 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt , § 258 Rn 28; BGH NStZ 2015, 105; Beschl. v. 5.2.2019 – 3 StR 469/18, StV 2019, 813; OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2014 – 2 RBs 115/13).auch stillschweigend geschehen (LR-Stuckenberg, § 258 Rn 4 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 258 Rn 28; BGH NStZ 2015, 105; Beschl. v. 5.2.2019 – 3 StR 469/18, StV 2019, 813; OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2014 – 2 RBs 115/13).

 

Rdn 4065

3. Hinzuweisen ist auf folgende Rechtsprechungsbeispiele:

 

Wiedereintritt liegt vor

ein Antrag, die Beweisaufnahme wieder zu eröffnen, ist abgelehnt worden (BayObLG NJW 1957, 1289),
ein Beweis- oder Aussetzungsantrag ist abgelehnt worden...

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