Leitsatz

Die Parteien stritten um die Abänderung des Bestimmungsrechts des § 1612 BGB sowie um Unterhaltszahlungen. Die 1986 geborene Klägerin war das eheliche Kind der Beklagten. Sie hatte noch einen minderjährigen Bruder, der im Haus seiner Eltern lebte. Die Klägerin nahm an der allgemeinen Schulausbildung teil und besuchte das Gymnasium.

Die Mutter der Klägerin war als Verkäuferin tätig. Der Vater war vormals als Tischler beschäftigt und zum Zeitpunkt des Rechtsstreits arbeitslos. Den Eltern gehörte zu jeweils hälftigem Miteigentum ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, das als Familienheim diente.

Nach Spannungen zwischen ihr und ihren Eltern zog die Klägerin spätestens zum 1.8.2003 zu ihrem Freund und kehrte später vorübergehend in den elterlichen Haushalt zurück. Spätestens zum 22.12.2003 zog sie endgültig bei ihren Eltern aus. Seit August 2004 war die Klägerin Mitmieterin der von ihrem Freund angemieteten Wohnung.

Die Klägerin hat ihre Eltern zunächst auf Zahlung von Barunterhalt in Anspruch genommen. Im Hinblick auf einen ihr erteilten gerichtlichen Hinweis hat sie sodann ein Verfahren hinsichtlich der Abänderung des elterlichen Bestimmungsrechts eingeleitet. Beide Verfahren wurden miteinander verbunden. Das erstinstanzliche Gericht hat mit einem am 27.7.2005 verkündeten Teilurteil festgestellt, dass die von den Eltern getroffene Unterhaltsbestimmung dahin abzuändern sei, dass ab dem 6.10.2004 die Unterhaltsleistungen in Form einer Geldrente und insoweit Barunterhalt an die Klägerin zu erbringen war.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Eltern, für deren Durchführung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrten. Ihr Antrag wurde im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels zurückgewiesen.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach der Klägerin ab dem 6.10.2004 Unterhaltsleistungen in Form einer Geldrente zu gewähren war.

Grundsätzlich obliege zwar den Eltern das Recht der Bestimmung, wie sie den Unterhalt gewähren wollten. Dieses Recht bleibe von dem Eintritt der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes unberührt. Wirtschaftliche Gründe wie die mit der Gewährung von Naturalunterhalt verbundene finanzielle Entlastung der Eltern würden hierbei besonderes Gewicht gewinnen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Alter des Kindes insbesondere nach Eintritt der Volljährigkeit auch die finanzielle Belastung der Eltern vielfach wachse. Seine Grenze finde das Bestimmungsrecht erst, soweit im Einzelfall die Interessen des Kindes schwerer wiegen als die Gründe, derentwegen das Gesetz den Eltern das Bestimmungsrecht über die Art der Unterhaltsgewährung eingeräumt habe.

Im vorliegenden Fall sah das OLG besondere Gründe i.S.d. § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB, die es aus seiner Sicht geboten, von der durch die Eltern vorgenommenen Bestimmung der Gewährung von Naturalunterhalt zugunsten der Gewährung von Barunterhalt abzuweichen. Das Vorliegen dieser Gründe sei spätestens ab Oktober 2004 feststellbar.

Ein solcher schwerwiegender Grund sei nicht alleine darin zu sehen, dass die Klägerin ohne Bevormundung durch ihre Eltern ihr Leben frei und selbstbestimmend führen wolle. Das Recht des Volljährigen auf freie Selbstbestimmung trete hinter das elterliche Bestimmungsrecht zunächst zurück.

Zur Annahme eines schwerwiegenden Grundes reiche auch eine Entfremdung zwischen Eltern und Kind nicht, die ausschließlich auf das Verhalten des Kindes zurückzuführen sei. Anderenfalls hätte das Kind es in der Hand, durch tatsächliches Verhalten Fakten zu schaffen und diese Entfremdung und daher den besonderen Grund i.S.d. § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB gezielt herbeizuführen.

Auch eine mangelnde Akzeptanz gegenüber dem Freund der Klägerin rechtfertige für sich allein betrachtet nicht die Annahme eines besonderen Grundes i.S.d. § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB. Im vorliegenden Fall gehe aber das zwischen den Parteien bestehende Zerwürfnis über das Maß, das jede Seite im Rahmen des § 1612 hinzunehmen habe, hinaus. Eine so tief greifende Zerrüttung wie im vorliegenden Falle stelle einen Abänderungsgrund i.S.d. § 1612 Abs. 2 BGB dar.

Nach Angaben der Klägerin, die insoweit nicht bestritten worden seien, finde ein persönlicher Kontakt zwischen Klägerin und den Beklagten seit Einleitung des Verfahrens nicht mehr statt. Im Hinblick auf die tiefgreifende Störung des Verhältnisses zwischen Klägerin und den Beklagten sei nur schwerlich vorstellbar, wie ein gedeihliches Zusammenleben der Parteien innerhalb des elterlichen Hauses bei der Gewährung von Naturalunterhalt vollzogen werden könne.

Im Hinblick auf die beiderseitige Ablehnungshaltung stellten sich nach Auffassung des OLG die Angebote der Beklagten, die Klägerin könne jederzeit in den elterlichen Haushalt zurückkehren, als unrealistisch dar. Zumindest hätten die Beklagten im Einzelnen ausführen müssen, wie sie sich ein gedeihliches Zusammenleben innerhalb des Familienheims...

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