Rz. 862

Als Rückausnahme zu der ausnahmsweise angeordneten Steuerpflicht eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes nimmt § 64 Abs. 1 letzter Hs. AO Zweckbetriebe i. S. d. §§ 65 bis 68 AO vom Verlust der Steuervergünstigungen aus. Systematisch ist auch der Zweckbetrieb ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Aufgrund eines besonders engen Bezugs zum ideellen Zweck einer steuerbegünstigten Körperschaft ist die Tätigkeit jedoch ebenfalls steuerbegünstigt.

Der Zweckbetrieb ist demnach ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 AO).[1335] Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Der Zweckbetrieb genießt die Steuervergünstigungen, weil die Wettbewerbsbeeinträchtigung der wirtschaftlichen Tätigkeit vom ideellen Bereich überlagert wird. Nicht weniger wichtig als die Befreiung von der Körperschaft- oder Gewerbesteuer ist für die Zweckbetriebe das Eingreifen des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 Prozent (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG).[1336]

 

Rz. 863

§§ 66 bis 68 AO ergänzen die Definition um eine nicht abschließende Aufzählung von Zweckbetrieben, die stets als solche zu behandeln sind. Die Vorschriften sind gegenüber § 65 AO vorrangig.[1337] Der Katalog der kraft Gesetzes als Zweckbetrieb einzustufenden Betriebe ist daher teils deklaratorischer, teils konstitutiver Natur.[1338] So wären etwa Alteneinrichtungen oder Behindertenwerkstätten auch nach den Merkmalen des § 65 AO als Zweckbetrieb zu qualifizieren, während Lotterien und Ausspielungen (§ 68 Nr. 6 AO) ohne die Anordnung der Zweckbetriebseigenschaft nicht begünstigungsfähig wären.

Wesentliche Bedeutung kommt dem Katalog der §§ 66 bis 68 AO für die Auslegung und Konkretisierung der Voraussetzungen des § 65 AO zu. Das gilt insbesondere für die problematische Abwägung zwischen einem förderungswürdigen Allgemeininteresse und dem in § 65 Nr. 3 AO zum Ausdruck kommenden Wettbewerbsschutz.[1339]

 

Rz. 864

Rechtsprechung und Literatur stimmen darin überein, dass der aus Art. 3 GG hergeleitete Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Staates aufgrund des sehr weit gefassten Wortlauts des § 68 AO zu einer restriktiven Anwendung dieser Norm führen müsse.[1340] So legt der Bundesfinanzhof dar, dass die Aktivitäten eines Zweckbetriebs i. S. d. § 68 AO nicht völlig losgelöst vom Satzungszweck erfolgen könnten. Nicht jede Tätigkeit einer Einrichtung, die ihrem Wortlaut nach unter die Regelung des § 68 AO falle, könne uneingeschränkt begünstigt sein. Die steuerliche Begünstigung setze vielmehr voraus, dass die Einrichtung sich in ihrer Gesamtrichtung noch als Zweckbetrieb darstelle. Zumindest im Ergebnis bedeutet dies eine entsprechende Berücksichtigung der für einen Zweckbetrieb grundlegenden Erfordernisse des § 65 Nr. 1 AO auch im Rahmen der Anwendung des § 68 AO.[1341]

[1335] Ähnlich Wallenhorst, in Wallenhorst/Halaczinsky (Hrsg.), Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Kap. G. Rn. 40; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 6 Rn. 166; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 336 ff.
[1336] Siehe unter Rn. 891.
[1337] BFH, Urteil v. 4.6.2003, I R 25/02, BStBl 2004 II S. 660; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 6 Rn. 218, siehe auch Rn. 886.
[1338] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 6 Rn. 217.
[1339] Vgl. BFH, Urteil v. 15.12.1993, X R 115/91, BStBl 1994 II S. 314; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 6 Rn. 216.

1.4.5.1 Tendenzielle Zweckverwirklichung (§ 65 Nr. 1 AO)

 

Rz. 865

Ein Zweckbetrieb muss tatsächlich und unmittelbar satzungsmäßige Zwecke der Körperschaft, die ihn betreibt, verwirklichen. Ebenso wie bei der Körperschaft selbst genügt es nicht, wenn er begünstigte Zwecke verfolgt, die jedoch nicht satzungsmäßige Zwecke der ihn tragenden Körperschaft sind. Ist ein und derselbe Geschäftsbetrieb zum Teil Zweckbetrieb, zum Teil nicht, und wird dadurch die steuerbegünstigte Gesamtrichtung wesentlich beeinträchtigt, so ist insgesamt kein Zweckbetrieb anzunehmen.[1342] Wenn möglich, sollten in diesem Fall die Tätigkeitsbereiche auf unterschiedliche Betriebe übertragen werden, um zumindest für einen von beiden die Vorteile eines Zweckbetriebs in Anspruch nehmen zu können.

 

Rz. 866

Darüber hinaus müssen steuerbegünstigter Zweck und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb untrennbar sein, gleichsam eine Einheit bilden, so dass der steuerbegünstigte Zweck...

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