Entscheidungsstichwort (Thema)

Aberkennung des Gebrauchsrechts. Wohnsitzverstoß. Studium

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall einer rechtmäßigen Aberkennung des Gebrauchsrechts einer tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland, die auch im Lichte der Rechtsprechung des EUGH (Beschluss vom 09.07.2009, C-445/08) nicht zu beanstanden ist, da sich der Wohnsitzverstoß und durchschlagende Zweifel an dem behaupteten Studium in Tschechien aus einem Strafregisterauszug der Tschechischen Republik ergebe.

 

Normenkette

Richtlinie 2626/EG Art. 2 Abs. 1; Richtlinie 2006/126/EG Art. 7 Abs. 1 Buchst. e; Richtlinie 91/439/EWG Art. 1 Abs. 7, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2, Art. 8 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5, 7; StVG § 3 Abs. 1 S. 2; FeV § 11 Abs. 7, § 13 Nr. 2, § 28 Abs. 4 Nrn. 2-3, § 46 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, durch die ihm das Recht aberkannt wurde, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.

Durch Urteil des Amtsgerichts A…-Stadt vom 06.09.2005 wurde dem Kläger seine deutsche Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung entzogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bis zum 05.07.2006 festgesetzt. Der Verurteilung lag eine Trunkenheitsfahrt am 07.04.2005 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,74 Promille zugrunde. Hierbei handelte es sich um die fünfte Trunkenheitsfahrt seit 1981.

Am 27.06.2007 erwarb der Kläger in Tschechien eine Fahrerlaubnis der Klasse B.

Nach entsprechender Anhörung erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 19.02.2008 dem Kläger das Recht ab, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Bedenken gegen die körperliche oder gesundheitliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorlägen. Nach Ziffer 8.1 und 8.3 der Anlage 4 zur FeV seien Personen, die Alkoholmissbrauch betrieben oder gar alkoholabhängig seien, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Im Falle des Klägers müsse die Behörde aufgrund der fünf Trunkenheitsfahrten in der Vergangenheit sowie der zuletzt erreichten Blutalkoholkonzentration von 2,74 Promille davon ausgehen, dass der Kläger dem vorgenannten Personenkreis angehöre. Aufgrund der enorm hohen Blutalkoholkonzentration bei der letzten Trunkenheitsfahrt wäre dem Kläger in Deutschland die Fahrerlaubnis nur nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU-Gutachtens) erteilt worden. Da der Kläger wegen der fehlenden Alkoholabstinenz die Voraussetzungen für eine positive MPU nicht erfülle, könne nach § 11 Abs. 7 FeV auf die Beibringung eines MPU-Gutachtens verzichtet werden und von der Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden. Die Entscheidung verstoße nicht gegen den Anerkennungsgrundsatz von Führerscheinen nach Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2626/EG, denn die Pflicht zur Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins gelte dann nicht, wenn die EU-Fahrerlaubnis rechtsmissbräuchlich erworben worden sei, um die nationalen Vorschriften zu umgehen. Dies sei vorliegend der Fall, der Kläger sei sich bewusst gewesen, dass er in Deutschland ohne eine gültige MPU keine Fahrerlaubnis erhalten würde, und habe sich deshalb ohne Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nach Tschechien begeben, um dort eine Fahrerlaubnis zu erwerben. Das Mindestwohnerfordernis von 185 Tagen im Ausstellerland Tschechien habe der Kläger nicht erfüllt, da er seit dem 01.01.2007 ununterbrochen Leistungen nach dem SGB II erhalten habe und demnach zum Zeitpunkt des Führerscheinerwerbs nicht in Tschechien habe wohnhaft gewesen sein können.

Gegen den ihm am 21.02.2008 zugestellten Bescheid legte der Kläger am 24.03.2008, dem Ostermontag, Widerspruch ein. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte aufgrund der Tatsache, dass er keine MPU vorgelegt habe, nicht berechtigt sei, an seiner Fahreignung zu zweifeln. Der Bescheid verstoße gegen das Anerkennungsprinzip der EU-Richtlinien 90/439 EWG. Er habe sich zum Zwecke eines Studiums in Tschechien aufgehalten, so dass eine Verlegung des Erstwohnsitzes nicht erforderlich gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müsse der Beklagte die tschechische Fahre...

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