Leitsatz

a) Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist der Vermieter gegenüber dem die Mieträume weiter nutzenden Mieter zur Gebrauchsüberlassung und damit auch zur Fortsetzung vertraglich übernommener Versorgungsleistungen (hier: Belieferung mit Heizenergie) grundsätzlich nicht mehr verpflichtet.

b) Auch aus Treu und Glauben folgt eine nachvertragliche Verpflichtung des Vermieters von Gewerberäumen zur Fortsetzung der Versorgungsleistungen jedenfalls dann nicht, wenn der Mieter sich mit Mietzinsen und Nutzungsentschädigung in Zahlungsverzug befindet und dem Vermieter mangels eines Entgelts für seine Leistungen ein stetig wachsender Schaden droht.

c) Die Einstellung oder Unterbrechung der Versorgung mit Heizenergie durch den Vermieter ist keine Besitzstörung gemäß §§ 858, 862 BGB hinsichtlich der Mieträume.

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 535, 242, 862, 858

 

Kommentar

Die Parteien schlossen Ende Juli 2000 einen Mietvertrag über Räume zum Betrieb einer Gaststätte. Ab September 2001 hat der Mieter die Betriebskostenvorauszahlungen wegen nicht erteilter Abrechnungen eingestellt. Der Vermieter hat im Juli 2005 angekündigt, dass er die Wärmeversorgung einstellen werde. Seit Januar 2007 zahlt der Mieter auch keine Grundmiete. Wegen des Zahlungsverzugs hat der Vermieter mit Schreiben vom 10.8.2007 fristlos gekündigt und Räumungsklage erhoben.

Der Mieter hat die Räume nicht zurückgegeben. Er hat gegen den Vermieter Klage erhoben mit dem Ziel, diesem die Einstellung der Wärmeversorgung zu untersagen.

Die Klage des Mieters hatte keinen Erfolg:

1. Vertrag beendet: Das gilt grundsätzlich

Solange das Mietverhältnis dauert, ergibt sich der Anspruch des Mieters auf Versorgung mit Wärme aus § 535 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Ist das Mietverhältnis jedoch beendet, so ist der Vermieter grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, die Mietsache mit Wärme zu versorgen (Leitsatz a).

Nur ausnahmsweise kann eine derartige Verpflichtung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden. Dies setzt voraus, dass das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung der Versorgung das Interesse des Vermieters an der Versorgungseinstellung erheblich übersteigt. Ein besonderes Interesse des Mieters kann insbesondere angenommen werden, wenn die Einstellung der Versorgungsleistungen mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden ist oder wenn dem Mieter durch die Versorgungssperre ein besonders hoher Schaden droht. Allerdings setzt die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Versorgung voraus, dass dies dem Vermieter zugemutet werden kann; insbesondere darf dem Vermieter kein finanzieller Schaden entstehen. Der Mieter muss demnach zur Zahlung der Nutzungsentschädigung bereit und in der Lage sein (Leitsatz b).

2. Kein Ausnahmefall

Vorliegend war ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben. Deshalb kam es maßgebend darauf an, ob das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 10.8.2007 beendet worden ist. Vorliegend stand fest, dass der Mieter im August 2007 mit acht Monatsmieten im Rückstand war. Der Mieter hat sich insoweit auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ausstehenden Betriebskostenabrechnungen berufen. Der BGH lässt offen, ob dem Mieter überhaupt ein Zurückbehaltungsrecht an der Grundmiete zusteht, wenn der Vermieter seine Verpflichtung zur Abrechnung der Betriebskosten nicht erfüllt. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an der gesamten Miete ist jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Mieter – wie hier – wegen des geringen Umfangs der Vorauszahlungen kein Guthaben zu erwarten hat.

3. Besitzstörung: Verschiedene Rechtsansichten

Aus allem folgt, dass die Verpflichtung des Vermieters zur Wärmeversorgung aufgrund der Kündigung vom 10.8.2007 entfallen ist. Andererseits bestimmt § 858 Abs. 1 BGB, dass der Mieter nicht gegen seinen Willen im Besitz gestört werden darf. Eine solche Besitzstörung ist widerrechtlich mit der weiteren Folge, dass dem Mieter Abwehransprüche zustehen (§ 862 Abs. 1 BGB). Hierzu werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten:

  1. Die ältere Rechtsprechung und Literatur (Nachweise bei: Derleder, NZM 2000, 1098; Scheidacker, NZM 2005, 281) sah in der Versorgungssperre durchweg eine unzulässige Besitzstörung; teilweise wird diese Ansicht auch heute noch vertreten (OLG Köln, Urteil v. 15.3.2000, 2 U 74/99, NZM 2000, 1026 für vermietetes Teileigentum; Beschluss v. 26.4.2004, 1 U 67/03, NZM 2005, 67; OLG Celle, Urteil v. 28.4.2005, 11 U 44/05, NZM 2005, 741 betr. Unterbrechung der Wasserzufuhr bei Gaststättenräumen; LG Berlin, Beschluss v. 19.6.2003, 67 S 376/02, WuM 2003, 508 betr. Unterbrechung der Gasversorgung; Horst/Schiffer, NZM 2005, 121, 128; Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 535 Rdn. 101; Bund in: Staudinger (2007), § 858 Rdn. 53; Kraemer in: Bub/Treier III B Rdn. 1220; Lammel, Wohnraummietrecht, § 535 BGB Rdn. 172; Palandt/Bassenge, § 862 BGB Rdn....

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