Leitsatz (amtlich)

Der Vermieter von Gewerberaum ist nicht einem Versorgungsunternehmen gleichzustellen, wenn er als Nebenpflicht die Belieferung des Mieters mit Elektrizität übernommen hat. Er greift widerrechtlich in den Besitz seines Mieters ein, wenn er den Strom absperrt.

Nur unter engen Voraussetzungen steht ihm nach Treu und Glauben das Recht zu, weitere Schädigungen durch die Stromentnahme eines nicht zahlenden Mieters zu unterbinden.

 

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

 

Gründe

I. Die Klägerin betrieb eine Druckerei in Räumlichkeiten, die sie von den Beklagten gemietet hatte. Vertragspartner des Versorgungsunternehmens für elektrischen Strom waren die Beklagten als Vermieter. Die für das Gesamtobjekt eingeräumten Industriekonditionen bei der Strombelieferung konnten so an die Mieter weitergeleitet werden.

Nach Zahlungsrückständen wurde das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Durch Anerkenntnisurteil vom 28.10.2003 wurde die Klägerin zur Räumung verurteilt.

Nachdem über den Ausgleich der Zahlungsrückstände in verschiedenen Gesprächen Ende Mai 2003 keine Einigung erzielt werden konnte, veranlassten die Beklagten Anfang Juni 2003 die Einstellung der Stromversorgung für die Druckerei der Klägerin.

Das LG hat den Beklagten durch einstweilige Verfügung vom 3.6.2003 die Wiederherstellung der unterbrochenen Stromversorgung aufgegeben. Nach Widerspruch der Beklagten hat das LG durch Urteil vom 28.8.2003 die einstweilige Verfügung bestätigt. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend die Erledigung erklärt, nachdem die Zwangsräumung der Beklagten am 4.12.2003 erfolgt ist.

II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren den Beklagten gem. § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Maßgeblich für die Kostenverteilung ist nach dieser Bestimmung der bisherige Sach- und Streitstand und die Billigkeit. Es entscheidet damit der voraussichtliche Ausgang des Prozesses, wenn es nicht zur Erledigung gekommen wäre. Bei dieser hypothetischen Betrachtung hätten die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt. Das LG hat ihnen nämlich zu Recht durch einstweilige Verfügung untersagt, die Stromversorgung für die Druckerei der Klägerin zu unterbinden.

Das LG hat zutreffend entschieden, dass die Unterbrechung der Stromversorgung aus Sicht der Klägerin eine rechtlich unzulässige Besitzstörung im Sinne der § 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB war. Eine derartige Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzes liegt nämlich immer dann vor, wenn ein rechtlich befriedeter Zustand in einen der Rechtsunsicherheit verwandelt wird (OLG Köln ZMR 2000, 640; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 862 Rz. 4). Da die Klägerin in der vom Besitzrecht umfassten ungestörten Nutzung der ihr für den Betrieb einer Druckerei überlassenen Räume durch die Unterbrechung der Stromzufuhr gestört war, konnte sie sich dieses Eingriffs erwehren.

Der Senat folgt insofern der zutreffenden herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Köln ZMR 2000, 640; Voelskow in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 557a Rz. 24; Staudinger/Rolfs, BGB, § 446a Rz. 7), wonach der Vermieter nicht berechtigt ist, die Stromzufuhr zu den Mieträumlichkeiten zu unterbinden. Er greift damit in den besitzrechtlich geschützten Bestand des Mieters außerhalb der Rechtsordnung ein. Die Beklagten waren darauf verwiesen, einen Räumungstitel zu erstreiten und diesen im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Durch das Schaffen vollendeter Tatsachen und die Herbeiführung der Unbenutzbarkeit der überlassenen Räumlichkeiten durften insb. nicht die zwangsvollstreckungsrechtlichen Schutzvorschriften (§ 765a ZPO) unterlaufen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stand diesen auch kein einen Eingriff in das Besitzrecht der Klägerin rechtfertigendes Zurückbehaltungsrecht nach §§ 858 Abs. 1, 273 Abs. 1 BGB zu. Im Hinblick auf die den Rechtsfrieden wahrende, bestandsschützende Funktion der Regelungen über die Abwehr verbotener Eigenmacht hat das allgemeine Zurückbehaltungsrecht zurückzutreten. Auch dies entspricht im Ergebnis der herrschenden Meinung (OLG Köln ZMR 2000, 640; OLG Hamburg WuM 1978, 169; Voelskow in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., §§ 535, 536 Rz. 71). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Vermieter oder der Mieter Vertragspartner des Versorgungsunternehmens ist. Der den maßgeblichen Besitz des Mieters tangierende Eingriff in die Nutzbarkeit der gemieteten Räumlichkeiten entsteht bei einer Absperrung der Stromversorgung unabhängig von der Vertragsbeziehung zum Versorgungsunternehmen.

Indem der Vermieter - wie im vorliegenden Fall - selbst den Vertrag mit dem Versorgungsunternehmen geschlossen hat, wird er im Innenverhältnis zum Mieter auch nicht zu einem Stromversorger, der ein Zurückbehaltungsrecht ausüben könnte. Den Beklagten ist zwar einzuräumen, dass den Versorgungsunternehmen für Strom (nach § 33 Abs. 2 ...

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