Für die Abwicklung von Versicherungsschäden am gemeinschaftlichen Eigentum ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuständig, die durch den Verwalter als ihrem Organ handelt. Gesetzliche Grundlage für die Befugnis und Pflicht des Verwalters zur Abwicklung von Versicherungsschäden ist seine Funktion als Ausführungsorgan der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als deren gesetzlicher Vertreter nach § 9b Abs. 1 WEG, die in § 27 Abs. 1 und Abs. 2 WEG ihre besondere Ausprägung enthält, nämlich eigenständig Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die von ungeordneter Bedeutung sind und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen sowie in Notfällen die in § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG geregelte Pflicht zur Einleitung von Sofortmaßnahmen.

Der Verwalter ist demnach bei Schäden im Gemeinschaftseigentum befugt und auch verpflichtet, eigenständig

  1. den Schaden im Gemeinschaftseigentum festzustellen,
  2. an die Versicherung den Schaden zu melden, im Verlustfall eine umgehende Diebstahlsmeldung bei der Polizei, bei Umweltschäden die Umweltbehörde zu alarmieren,
  3. Schadensminderungsmaßnahmen einzuleiten,
  4. die für die Regulierung erforderlichen Tatsachen dem Versicherer bekannt zu geben, wenn diese dem Verwalter tatsächlich vollständig bekannt sind ,
  5. Handwerker mit der Beseitigung kleinerer Schäden im Gemeinschaftseigentum zu beauftragen und die hierbei entstehenden Kosten mit der Versicherung abzurechnen ,
  6. bei Regulierungszusage des Versicherers und bei unabdingbarem Reparaturbedürfnis zur Abwicklung auch größerer Schäden . Bei fehlender Regulierungszusage hat er Beschlüsse der Wohnungseigentümer über das weitere Vorgehen zu initiieren.
 
Hinweis

Informationspflicht

Im Übrigen ist der Verwalter verpflichtet, die Wohnungseigentümer über die erforderlichen Maßnahmen zu unterrichten und die für die Beseitigung des Schadens erforderlichen Beschlüsse herbeizuführen.

Der Versicherungsfall ist nach § 30 VVG unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – dem Versicherer anzuzeigen. Erfährt der Versicherer rechtzeitig auf andere Weise von dem Versicherungsfall, kann er sich auf eine vertragliche Regelung, die ihn von der Leistung befreit, nicht berufen. Generell gilt bei Obliegenheitsverletzungen nicht das "Alles-oder-Nichts-Prinzip", bei dem der Versicherer im Fall einer Obliegenheitsverletzung von seiner Leistungspflicht völlig frei würde. Es kommt vielmehr auf den Grad des Verschuldens an. Liegt Vorsatz vor, wird der Versicherer frei, während er bei grober Fahrlässigkeit eine entsprechende Quote und bei leichter Fahrlässigkeit voll zahlen muss (§§ 28, 58 VVG).

 
Achtung

Grenzen der Abwicklungsbefugnis

Der Verwalter kann sich gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer regresspflichtig machen, wenn er im Rahmen der Abwicklung von Versicherungsschäden ausdrückliche oder stillschweigende Teilverzichtserklärungen abgibt, die regelmäßig bei unklarer Sach- und Rechtslage in Abfindungsvereinbarungen von den Versicherern verlangt werden. In seinem eigenen Interesse sollte er einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen.

 
Praxis-Tipp

Vorgehensweise bei Notmaßnahmen

  1. Selbst wenn aufgrund der drohenden Folgeschäden unmittelbar gehandelt werden muss, darf der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG nur Notmaßnahmen veranlassen, die wegen ihrer Eilbedürftigkeit die vorherige Einberufung einer Eigentümerversammlung nicht zulassen. Hierdurch gedeckt sind somit nur Maßnahmen zur Beseitigung der konkreten Gefahrenlage, nicht aber solche zur dauernden Behebung der Schadensursache, so diese die Grenzen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 WEG überschreiten.
  2. Selbst in dringenden Fällen sollte der Verwalter nach Möglichkeit – gegebenenfalls unter Verkürzung der Ladungsfrist – eine Eigentümerversammlung einberufen. Zumindest sollte der Verwalter Rücksprache mit dem Verwaltungsbeirat halten und mit diesem das weitere Vorgehen abstimmen. Kommt eine Versammlung vor Durchführung der Notmaßnahme nicht in Betracht, sollte sie umgehend nachgeholt werden, damit das Vorgehen des Verwalters genehmigt und über weitere Maßnahmen abgestimmt werden kann.
  3. Zur Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer sollte der Verwalter auch bei kleineren Maßnahmen nach Möglichkeit mehrere Alternativangebote vorlegen, damit die Eigentümer von ihrem Auswahlermessen Gebrauch machen können. Bei größeren Maßnahmen mit einem Kostenvolumen von über 5.000 EUR ist eine Vorlage von mindestens 3 Vergleichsangeboten jedenfalls geboten.[1]

    Auch in größeren Gemeinschaften dürfte dieser Betrag die Obergrenze eigenständig vom Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG durchzuführender Maßnahmen darstellen.

[1] LG Dortmund, Urteil v. 14.6.2016 – 1 S 455/15.

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