Rz. 134

Das Insolvenzverfahren beginnt stets mit einem Eröffnungsantrag bei Gericht. Der Antrag kann entweder vom Schuldner selbst oder von einem oder mehreren Gläubigern gestellt werden.

 

Rz. 135

Ein Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, muss zwingend einen Insolvenzantrag stellen, wenn es fällige Forderungen länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedienen kann oder überschuldet sind. Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen eines Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und diese Verbindlichkeiten das Vermögen länger als 30 aufeinander folgende Tage übersteigen.

Ein Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, kann nach eigenem Ermessen einen Insolvenzantrag stellen, bevor es fällige Forderungen länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedienen kann oder bevor eine Überschuldung vorliegt.

 

Rz. 136

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gibt es die folgenden Maßnahmen:

Reorganisationsverfahren;
Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz;
Liquidation.
 

Rz. 137

Ein Gläubiger kann ebenfalls einen entsprechenden Antrag (Reorganisationsverfahren bzw. Liquidation) stellen, wenn die ihm zustehende ungesicherte Forderung 100.000 AED oder mehr beträgt und der Schuldner der fälligen Forderungen diese länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedienen kann und der Gläubiger den Schuldner zur Zahlung der Verbindlichkeit innerhalb dieser Frist schriftlich aufgefordert hat.

Ein Gläubiger kann allerdings keinen Antrag auf ein Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz stellen. Dies ist allein dem Schuldner vorbehalten.

1. Reorganisationsverfahren

 

Rz. 138

Zentrales Element des auf die Sanierung eines insolventen Schuldners ausgelegten Reorganisationsverfahrens ist die Erarbeitung eines Reorganisationsplans unter Mitwirkung des Gerichts. Dieser Plan ist eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern darüber, wie die bestehenden Schulden beglichen werden sollen und in welcher Art und Weise das Geschäft des Schuldners weitergeführt werden soll.

 

Rz. 139

Gibt das Gericht nach Prüfung, ob ausreichend Masse vorhanden ist, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken und das Unternehmen "zu retten", dem Antrag statt, ist ein zentraler Effekt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sofortige Unterbrechung von Gerichts- und Vollstreckungsverfahren gegen den Schuldner. Die Unterbrechung soll dem Schuldner die Möglichkeit eröffnen, seine finanzielle Situation im Einzelnen festzustellen und die verbleibenden Vermögenswerte zu sichern, um so eine geordnete Ausgangsbasis für das weitere Insolvenzverfahren zu bereiten.

 

Rz. 140

Ein Reorganisationsverfahren, das die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Geschäftsbetriebs des Schuldners zum Inhalt hat, bedarf der mehrheitlichen Zustimmung der Gläubiger des betreffenden Unternehmens, deren Forderungen mindestens 75 % der Schulden repräsentieren. Das Reorganisationsverfahren muss innerhalb von fünf Jahren nach Genehmigung durch das Gericht durchgeführt werden, wobei eine Verlängerung um weitere drei Jahre möglich ist.

2. Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz

 

Rz. 141

Ein solcher Antrag kann von einem Schuldner gestellt werden, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, jedoch noch nicht als insolvent gilt. Ziel ist es, sich mit seinen Gläubigern im Wege des Vergleichs unter Mitwirkung des Gerichts zu einigen und eine drohende Insolvenz abzuwenden. Voraussetzung ist eine Antragstellung, bevor fällige Forderungen länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedient werden können oder bevor eine Überschuldung vorliegt.

 

Rz. 142

Die Voraussetzungen für eine Genehmigung dieses Verfahrens durch das Gericht sind die gleichen wie bei dem Reorganisationsverfahren.

Das Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz muss innerhalb von drei Jahren nach Genehmigung durch das Gericht durchgeführt werden, wobei eine Verlängerung um weitere drei Jahre möglich ist.

3. Liquidation

 

Rz. 143

Lehnt das Gericht einen Insolvenzantrag ab,

weil ein Reorganisationsverfahren oder Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz nicht erfolgversprechend ist
oder ein solches durch die Gläubiger nicht genehmigt worden ist oder
der Schuldner unter Vorspiegelung falscher Tatsachen handelt, um sich seinen finanziellen Verpflichtungen zu entziehen, oder
der Schuldner bereits wegen Begleittaten im Rahmen einer Insolvenz verurteilt worden ist,

erklärt das Gericht das betreffende Unternehmen für insolvent und es erfolgt die Liquidation des Unternehmens im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

 

Rz. 144

Der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter sichert und verwertet dann das Vermögen des betroffenen Unternehmens und verteilt es – nach Abzug der Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten – gleichmäßig an die Insolvenzgläubiger. Zu bevorzugten Masseverbindlichkeiten zählen u.a. auch arbeitsrechtliche Abfindungsansprüche (End of Service Award), ausstehende Lohnzahlungen bis zu drei Monaten und Verbindlichkeiten gegenüber Regierungsstellen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge