Das Wichtigste in Kürze

1. In der Praxis erfolgt in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle, in denen später ein HB erlassen und der Beschuldigte in U-Haft genommen wird, zuvor die vorläufige Festnahme des Beschuldigten nach § 127.
2. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Festnahme ergeben sich aus § 127.
3. Im Fall der vorläufigen Festnahme bestehen nach § 127 Abs. 4 nach den Änderungen durch das "Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts" v. 29.7.2009 (die Belehrungs- und Benachrichtigungspflichten der (geänderten) §§ 114a, 114b, 114c.
4. Für das Verfahren nach vorläufiger Festnahme des Beschuldigten ist die sog. Vorführungsfrist des § 128 Abs. 1 von besonderer Bedeutung.
5. Mit seinen auf eine Aufhebung der vorläufigen Festnahme gerichteten Maßnahmen kann sich der Verteidiger an die Polizei, die StA oder den Haftrichter wenden.
6. Hat der Mandant durch die vorläufige Festnahme einen Schaden erlitten, kann ggf., wenn er später freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird, nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 StrEG eine Entschädigung in Betracht kommen.
 

Rdn 5290

 

Literaturhinweise:

Brocke/Heller, Das neue Untersuchungshaftrecht aus Sicht der Praxis – Zwischenbilanz nach einem Jahr, StraFo 2011, 1

Esser/Fischer, Festnahme von Piraterieverdächtigen auf Hoher See Geltung des § 127 StPO im Rahmen der Operation Atalanta, ZIS 2009, 771

Kargl, Inhalt und Begründung der Festnahmebefugnis nach § 127 I StPO, NStZ 2000, 8

Krüger, Grund und Grenzen der Festnahmebefugnis des Betreibers einer SB-Tankstelle gegenüber zahlungsunwilligen und/oder -unfähigen Kunden, NZV 2003, 218

Herrmann, Zur Reform des Rechts der Untersuchungshaft, StRR 2010, 4

Marxen, Zum Begriff der frischen Tat in § 127 Abs. 1 StPO, in: Festschrift für Stree und Wessels, 1993, S. 705

Meyer-Mews, Das Festnahmerecht – Ein Überblick, JA 2006, 206

R. Michalke, Reform der Untersuchungshaft – Chance vertan?, NJW 2010, 17

­Rosenthal/Schramm, Interpol – Instrumentalisierung durch Despoten und rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten Betroffener, StraFo 2015, 450

Schaefer, Zur Rechtzeitigkeit der haftrichterlichen Vernehmung, NJW 2000, 1996

Schlothauer, Europäische Prozesskostenhilfe und notwendige Verteidigung, StV 2018, 169

Schröder, Das Festnahmerecht Privater und die Teilrechtfertigung unerlaubter Festnahmehandlungen (§ 127 Abs. 1 S. 1 StPO), Jura 1999, 10

Tsambikakis, Moderne Einwirkungen auf die Strafprozessordnung – Beispiel: Untersuchungshaft, ZIS 2009, 503

Wagner, Das allgemeine Festnahmerecht gem. § 127 Abs. 1 S. 1 StPO als Rechtfertigungsgrund, ZIS 2011, 465

Weider, Das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts, StV 2010, 102

s.a. die Hinw. bei → Untersuchungshaft des Beschuldigten, Teil U Rdn 4462.

 

Rdn 5291

1. In der Praxis erfolgt in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle, in denen später ein HB erlassen und der Beschuldigte in U-Haft genommen wird, zuvor die vorläufige Festnahme des Beschuldigten nach § 127. Da i.d.R. gerade dieses frühe Verfahrensstadium für das gesamte nachfolgende Verfahren von entscheidender Bedeutung sein kann, sollen die nachfolgenden Ausführungen dem Verteidiger einen (ersten) Überblick über die Voraussetzungen der vorläufigen Festnahme (s.u. Teil V Rdn 5302) geben sowie einige allgemeine Hinweise zur Aufhebung der vorläufigen Festnahme bzw. zur Abwehr eines von der StA beantragten HB (s. Teil V Rdn 5306). Wegen der Einzelh. wird i.Ü. verwiesen auf die eingehende Darstellung bei Schlothauer/Weider/Nobis, Rn 126 ff. (zur vorläufigen Festnahme zur Sicherung der HV im beschleunigten Verfahren → Hauptverhandlungshaft, Teil H Rdn 2617).

 

☆ Das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts v. 29.7.2009 hat die Vorschriften der §§ 114a ff. , die für den Fall der Verhaftung des Beschuldigten besondere Belehrungs- und Benachrichtigungspflichten vorsehen (vgl. Teil V Rdn  5297  f.), geändert. Sinn und Zweck dieser Änderungen war u.a. auch die Vorverlagerung und Klarstellung der Belehrungspflichten gegenüber Verhafteten [d.h. aufgrund eines Haftbefehls festgenommenen Personen (BT-Drucks 16/11644, S. 15). Daher ist in § 127 Abs. 4 die entsprechende Anwendung der Vorschriften im Fall der vorläufigen Festnahme bestimmt worden."Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts" v. 29.7.2009 hat die Vorschriften der §§ 114a ff., die für den Fall der Verhaftung des Beschuldigten besondere Belehrungs- und Benachrichtigungspflichten vorsehen (vgl. Teil V Rdn 5297 f.), geändert. Sinn und Zweck dieser Änderungen war u.a. auch "die Vorverlagerung und Klarstellung der Belehrungspflichten gegenüber Verhafteten [d.h. aufgrund eines Haftbefehls festgenommenen Personen" (BT-Drucks 16/11644, S. 15). Daher ist in § 127 Abs. 4 die entsprechende Anwendung der Vorschriften im Fall der vorläufigen Festnahme bestimmt worden.

2. Voraussetzungen der vorläufigen Festnahme sind:

 

Rdn 5292

a) Nach § 127 Abs. 1 kann der "auf frischer Tat" Betroffene vorläufig festgenommen werden, wenn er "der Flucht verdächtig ist". "Fluchtverdacht" ist nach h.M. nicht identisch mit Fluc...

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