Rdn 3853

 

Literaturhinweise:

Behl, Verweisungsbeschluß gem. § 270 StPO und fehlende örtliche Zuständigkeit des höheren Gerichts, DRiZ 1980, 182

Burhoff, Die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit in mehreren Strafverfahren, Teil 3: Verweisung und Zurückverweisung, RVGreport 2009, 8

ders., Verweisung und Zurückverweisung von Verfahren: So wirkt sie sich auf die Gebühren aus, RVGprofessionell 2013, 50

Pauka/Link/Armenat, Die Verweisung nach § 270 StPO im Lichte des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, StraFo 2017, 10

Stuckenberg, Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nach § 270 StPO, in: Festschrift für Peter Rieß, 2002, S. 135

Michel, Der unwirksame Verweisungsbeschluß, JuS 1993, 766

Müller, Zum negativen Kompetenzkonflikt zwischen zwei Gerichtsabteilungen, DRiZ 1978, 14

Rieß, Die Bestimmung und Prüfung der sachlichen Zuständigkeit und verwandter Erscheinungen im Strafverfahren, GA 1976, 1

Weidemann, Zur Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 270 StPO, wistra 2000, 45

s.a. die Hinw. bei → Zuständigkeit des Gerichts, Teil Z Rdn 4283.

 

Rdn 3854

1. Ergibt sich nach Beginn der HV eine Veränderung der sachlichen Zuständigkeit oder hält das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a (→ Zuständigkeit des Gerichts, Teil Z Rdn 4283) für begründet, verweist es die Sache gem. § 270 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 2 durch Beschluss an das zuständige Gericht. Insbesondere die erste Alternative ist – i.d.R. in der amtsgerichtlichen HV vor dem Strafrichter oder dem (erweiterten) Schöffengericht – von praktischer Bedeutung (zur Verweisung an das zuständige Jugendgericht BGHSt 47, 311 [Verweisung vom allgemeinen Schwurgericht an die Jugendkammer]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 270 Rn 11; KK-Greger, § 270 Rn 14 m.w.N.; Pauka/Link/Armenat StraFo 2017, 10; s.a. BGHSt 42, 39). Die damit zusammenhängenden Fragen werden im Folgenden dargestellt. I.Ü. wird auf die einschlägigen Kommentierungen des § 270 verwiesen. Die sich aus der Regelung des § 25 Nr. 2 GVG ergebenden (Zuständigkeits-)Fragen im Verhältnis Strafrichter/Schöffengericht sind dargestellt bei Burhoff, EV, Rn 5461 ff. (dazu aus der Rspr. OLG Hamm StraFo 1996, 87; OLG Köln StV 1996, 298; LG Köln StV 1996, 591). Die Verweisung von der allgemeinen Strafkammer an die Schwurgerichtskammer ist, da es sich bei ihr um eine "besondere Strafkammer" und nicht um ein Gericht höherer Ordnung handelt, nur nach § 270 Abs. 1 S. 2 zulässig; es gelten die Beschränkungen aus § 6a (BGH NStZ 2009, 404; → Zuständigkeit des Gerichts, Teil Z Rdn 4283).

2. Es ist auf Folgendes hinzuweisen:

 

Rdn 3855

a) Zulässig ist die Verweisung nur in der HV der 1. Instanz, und zwar auch noch nach einer Aussetzung oder nach einer → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3131. Beschlossen werden darf die Verweisung nach § 270 aber erst nach Beginn der HV (BGH, Beschl. v. 17.2.2021 – 4 StR 360/20, NJW 2021, 1831 [Ls.]; → Gang der Hauptverhandlung, Aufruf der Sache, Teil G Rdn 1946). Das gilt auch dann, wenn die HV ausgesetzt war (zuletzt BGH NStZ 2012, 46 m.w.N.).

 

☆ Vor der HV und nach Aussetzung der HV bis zum Beginn der neuen HV gilt § 225a und zwar auch in der Berufungsinstanz (für die Berufung § 323 Abs 1. S. 1, zum früheren Recht BGH NJW 2003, 1404; StV 2016, 622; zur Wirksamkeit eines Vorlagebeschlusses vom Amtsrichter an das LG und zur Bindungswirkung der Übernahme BGH NStZ 2009, 579: s.a. noch BGH, Beschl. v. 17.2.2021 – 4 StR 360/20, NJW 2021, 1831 [Ls.]). Ggf. stellt sich die Frage, ob das Verfahren durch schlüssiges Verhalten, wie z.B. durch eine Haftentscheidung, übernommen worden ist; die Frage ist in Rspr. und Lit. umstr. (offen gelassen von BGH NStZ 2012, 46 m.w.N.). der HV und nach Aussetzung der HV bis zum Beginn der neuen HV gilt § 225a und zwar auch in der Berufungsinstanz (für die Berufung § 323 Abs 1. S. 1, zum früheren Recht BGH NJW 2003, 1404; StV 2016, 622; zur Wirksamkeit eines Vorlagebeschlusses vom Amtsrichter an das LG und zur Bindungswirkung der Übernahme BGH NStZ 2009, 579: s.a. noch BGH, Beschl. v. 17.2.2021 – 4 StR 360/20, NJW 2021, 1831 [Ls.]). Ggf. stellt sich die Frage, ob das Verfahren durch schlüssiges Verhalten, wie z.B. durch eine Haftentscheidung, übernommen worden ist; die Frage ist in Rspr. und Lit. umstr. (offen gelassen von BGH NStZ 2012, 46 m.w.N.).

 

Rdn 3856

b)aa) Grds. nicht erforderlich ist, dass in der HV bereits mit der Beweisaufnahme begonnen worden ist. Ergibt sich die Zuständigkeit des höheren Gerichts bereits aus dem Anklagesatz, ist die Verweisung ohne Weiteres bereits zu Beginn der HV möglich (OLG Düsseldorf NStZ 1986, 426).

 

Rdn 3857

bb) Etwas anderes gilt, wenn die Verweisung wegen einer vom Eröffnungsbeschluss abweichenden rechtlichen Bewertung erfolgen soll. Das ist z.B. der Fall, wenn aufgrund neu hervorgetretener Umstände nun ein anderes (schwereres) Delikt in Betracht kommt, für das die Strafgewalt des Prozessgerichts nicht (mehr) ausreicht. Entsprechendes gilt, wenn sich in der HV, etwa aufgrund eines SV-Gutachtens, die Möglichkeit der ...

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