Rz. 17

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, so ist das Betriebsratsmitglied nach dem Wortlaut des Gesetzes von seiner beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien. Da es mit der Unabhängigkeit des Betriebsratsamtes unvereinbar wäre, wenn vom Willen des Arbeitgebers abhinge, ob eine bestimmte Betriebsratsaufgabe rechtzeitig erfüllt werden kann, bedarf es keiner Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung des Betriebsratsmitglieds (BAG, Urteil v. 15.3.1995, 7 AZR 643/94[1]). Für die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben während der Arbeitszeit ist deshalb ausreichend, aber auch erforderlich, dass das Betriebsratsmitglied sich vor Verlassen des Arbeitsplatzes ordnungsgemäß abmeldet und bei Wiederaufnahme der Tätigkeit rückmeldet (BAG, Beschluss v. 13.5.1997, 1 ABR 2/97[2]). Eine Abmeldung ist auch erforderlich, wenn das Betriebsratsmitglied seinen Arbeitsplatz nicht physisch verlässt, sondern die Betriebsratstätigkeit an seinem Arbeitsplatz vornimmt, da dem Arbeitgeber die Gelegenheit gegeben werden soll, auf den Ausfall einer Arbeitskraft zu reagieren (BAG, Beschluss v. 29.7.2011, 7 ABR 135/09[3]). Die Ab- und Rückmeldepflichten beruhen ebenso wie der Entgeltanspruch, der dem Betriebsratsmitglied im Fall des Abs. 2 erhalten bleibt, nicht auf Betriebsverfassungsrecht, sondern auf Individualrecht, dem Arbeitsvertrag. Sie sind als Rücksichtspflichten auf die Organisationsinteressen des Arbeitgebers i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB zu verstehen (BAG, Beschluss v. 29.7.2011, 7 ABR 135/09).[4] Das Betriebsratsmitglied ist nach dem Schutzzweck der Rücksichtspflichten allerdings nicht verpflichtet, sich beim Arbeitgeber abzumelden, bevor es an seinem Arbeitsplatz die Betriebsratstätigkeit aufnimmt, wenn eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. In solchen Konstellationen besteht auch keine Rückmeldepflicht.

 
Hinweis

Bei der Abmeldung hat es dem Arbeitgeber Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Angaben zur Art der Betriebsratstätigkeit werden vom BAG nicht mehr verlangt (BAG, Urteil v. 15.3.1995, 7 AZR 643/94[5]). Ist ein Betriebsratsmitglied wegen der konkreten Umstände nicht verpflichtet, sich vor und nach der Betriebsratstätigkeit ab- und zurückzumelden, kann der Arbeitgeber allerdings verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum versehenen Betriebsratstätigkeiten nachträglich mitgeteilt wird (BAG, Beschluss v. 29.7.2011, 7 ABR 135/09).[6]

Eine persönliche Meldung kann der Arbeitgeber nicht verlangen (BAG, v. 23.6.1983, 6 ABR 65/80), auch die Form ist freigestellt.[7] Die Pflicht, sich vor Beginn der Betriebsratstätigkeit beim Arbeitgeber abzumelden, ist nicht nur eine Pflicht aus der Betriebsverfassung, sondern auch eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Ihre Verletzung kann daher Gegenstand und Inhalt einer Abmahnung durch den Arbeitgeber sein (BAG, Urteil v. 15.7.1992, 7 AZR 466/91[8]). Bei fortgesetzten bzw. beharrlichen Verstößen kommt dementsprechend eine außerordentliche Kündigung in Betracht (vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 8.6.2007, 10 TaBV 31/07).

[1] NZA 1995, 961.
[2] BB 1997, 1691.
[3] BAGE 138, 233 = NZA 2012, 47.
[4] BAGE 138, 233 = NZA 2012, 47.
[5] NZA 1995, 961.
[6] BAGE 138,233 = NZA 2012,47.
[7] Schultze/Schreck, ArbRAktuell 2014, 483,484.
[8] NZA 1993, 220; HWK/Reichold, § 37 Rz. 12.

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