Leitsatz (amtlich)

Eine Vereinbarung zwischen Organisationen, die im Bereich des Blutspendewesens tätig sind, über die Aufteilung von Abnahmegebieten unterfällt § 1 GWB.

§ 3 Abs. 2 TransfusionsG entzieht solche Vereinbarungen nicht einer kartellrechtlichen Beurteilung.

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen 3 O 77/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Meiningen vom 14.12.2005 - 3 O 77/05, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestandes einer mit der Beklagten geschlossenen "Vereinbarung über die Wirkungsbereiche" vom 15.9.1994/11.4.1995 bis zum 31.12.2005. Die Beklagte hat sich mit einem Schreiben vom 9.12.2004 auf die Nichtigkeit der Vereinbarung nach §§ 134 BGB, 1 GWB berufen, hilfsweise die Vereinbarung ordentlich zum 31.12.2005 gekündigt. Der Kläger hat die ordentliche Kündigung gelten lassen, hält die Vereinbarung im Übrigen aber für wirksam. § 1 GWB sei bereits nicht anwendbar. Wegen des Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Vereinbarung sei wirksam, weil sie auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Transfusionsgesetz abgeschlossen sei, der § 1 GWB ausschließe. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zur Nichtigkeit der Vereinbarung nach §§ 134 BGB, 1 GWB.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass an einer Feststellung auch nach Ablauf des 31.12.2005 wegen des Bestehens noch nicht bezifferbarer Schadensersatzansprüche noch das notwendige Feststellungsinteresse besteht, so war der Antrag auf Feststellung zurückzuweisen, da die Vereinbarung vom 15.9.1994/11.4.2005 nach §§ 134 BGB, 1 GWB nichtig ist.

1. Nach § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.

a) Die Parteien unterfallen dem Unternehmensbegriff des § 1 GWB. Vorauszusetzen ist eine Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr. Dies ist bei der Tätigkeit auch des Klägers der Fall. Denn sein Tätigwerden darf auch vorliegend nicht isoliert auf die Spendenentnahme betrachtet werden, sondern im Rahmen einer Gesamtschau. Danach nimmt der Kläger Blutspenden entgegen, um sie - das ist unstreitig - weiter zu veräußern. Dies genügt, um von einer Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr ausgehen zu können. Die Gewinnerzielungsabsicht ist gerade kein entscheidendes Kriterium, weshalb auch gemeinnützige Organisationen Marktteilnehmer i.S.v. § 1 GWB sein können (vgl. mit weiteren Nachweisen Immenga/Mestmäcker/Zimmer § 1 GWB Rz. 57).

b) Im relevanten Markt herrscht auch Wettbewerb im Sinne des GWB. Der Wettbewerbsbegriff stellt zunächst kein normatives Element von § 1 GWB dar (Immenga/Mestmäcker/Zimmer § 1 GWB Rz. 137). Wettbewerb ist vielmehr nur vorauszusetzen, damit festgestellt werden kann, dass wettbewerbliche Handlungsfreiheiten beschränkt werden. Auf dem Gebiet des Sammelns und Vertreibens von Blutkonserven herrscht zweifelsfrei Wettbewerb. Es gibt eine Nachfrage von Krankenhäusern u..ä. nach Blutkonserven, die die Blutspendedienste und Transfusionseinrichtungen decken, indem sie zuvor durch Blutspender abgegebenes Blut sammeln, ggf. aufbereiten und weitergeben. Dieses Marktsegment hat auch wirtschaftliche Bedeutung, denn alle Blutspendeeinrichtungen trachten danach, von ihnen gesammeltes Blut weiter zu veräußern. Der Bedarf an Blutkonserven ist, wie sich auch aus der Allgemeinen Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf zum Transfusionsgesetz ergibt, enorm. Demzufolge, auch in Thüringen, gibt es auch eine Vielzahl von unterschiedlich organisierten Blutspendediensten und Blutspendeeinrichtungen. Es gibt also entgegen der Auffassung des Klägers auch ein Streben nach Geschäftsabschlüssen mit Dritten, nämlich den Weiterverkauf des eingesammelten Blutes z.B. an Krankenhäuser. Eine isolierte Betrachtung des reinen Blutspendebereichs, also der Beziehung zwischen den einzelnen Blutspendern und den Sammelorganisationen scheidet aus. Denn die Beschaffung von Spenderblut ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Weiterveräußerung von Blut möglich ist.

Die Parteien stehen insoweit auch miteinander im Wettbewerb, da sie beide darauf abzielen, Blut bei Spendern abzunehmen, um es später weiter veräußern zu können. Dies stellt eine gleichzeitiges Tätigwerden auf dem selben relevanten Markt dar.

c) Durch den Inhalt der Vereinbarung vom 15.9.1994/11.4.1995 ist das zwischen den Parteien bestehende Wettbewerbsverhältnis unmittelb...

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