Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderung einer Sorgerechtsregelung, Abänderungsgründe, entwürdigende Erziehungsmaßnahmen

 

Verfahrensgang

AG Gera (Beschluss vom 24.06.2003; Aktenzeichen 2 F 985/02)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 5.8.2003 wird der Beschluss des AG Gera vom 24.6.2003, Az. 2 F 985/02, abgeändert:

Der Antrag des Antragstellers vom 22.10.2002 wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Anstelle des Tatbestands wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss.

Die Parteien streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind L., geboren am 19.4.2000.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht war durch Beschluss des AG Gera (AG Gera v. 23.7.2002 - 2 F 257/02) der Antragsgegnerin allein übertragen.

Auf den Antrag des Antragstellers vom 22.10.2002 hat das AG Gera durch Beschluss vom 24.6.2003 den Beschluss des AG Gera vom 23.7.2003 dahin abgeändert, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Antragsteller übertragen wird.

Das FamG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M.B., M.R. und P.B. (wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 26.11.2002, Bl. 23-26 d.A.) und zu der Frage, bei wem der Aufenthalt des Kindes L. in der Zukunft festgeschrieben werden soll, beim Antragsteller oder bei der Antragsgegnerin, durch Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens (wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten der Sachverständigen D. vom 29.4.2003, Bl. 33-47 d.A. Bezug genommen).

An dem Umgangswochenende nach dem 24.6.2003 wechselte L. in den Haushalt des Antragstellers. In der Folgezeit trennte sich die Antragsgegnerin von ihrem Lebensgefährten T.G. und lebt seitdem mit ihrem achtjährigen Sohn P. allein,

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 10.7.2003 zugestellten Beschluss mit einem bei dem Beschwerdegericht am 6.8.2003 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Diese hat sie mit einem am 4.9.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des AG Gera vom 24.6.2003 und beantragt dessen Aufhebung.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat das Kind L. am 11.3.2004 angehört (wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das Anhörungsprotokoll).

II. Die befristete Beschwerde ist statthaft (§ 621e Abs. 1 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insb. ist sie fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 621e Abs. 3, 517, 520 Abs. 2 ZPO).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das AG hat zu Unrecht den Beschluss des AG Gera vom 23.7.2002 dahin abgeändert, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Antragsteller übertragen wird.

Nach § 1696 Abs. 1 BGB hat das FamG eine Sorgerechtsregelung abzuändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig angezeigten Gründen angezeigt ist.

Abänderungsgründe i.S.d. § 1696 Abs. 1 BGB müssen nach der Erstentscheidung eingetreten oder bekannt geworden sein und die mit einer Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen (OLG Karlsruhe v. 12.12.1997 - 2 UF 202/97, OLGReport Karlsruhe 1998, 231 = FamRZ 1998, 1046 [1047]; OLG Stuttgart FamRZ 1978, 827 [829]; Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl. 2003, § 1696 Rz. 16; FA-FamR/Oelkers, 4. Aufl. 2002, 4. Kap. Rz. 438). Da ausschließlich das Wohl des Kindes maßgebend ist, ist die Änderung weder mit dem Interesse eines beteiligten Elternteils noch ausschließlich mit einem entsprechenden Wunsch des Kindes zu begründen. Sinn und Zweck des Abänderungsverfahrens ist nämlich nicht, eine frühere Sorgerechtsentscheidung nach Erschöpfung des Rechtsweges nochmals zu überprüfen, sondern sie unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls an zwischenzeitliche, wesentliche Veränderungen anzupassen. Die Umstände, die für die Erstregelung maßgebend gewesen waren, müssen sich somit erheblich geändert haben oder aber wichtige Umstände nachträglich bekannt geworden oder neu eingetreten sein (OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 940 [941]; OLG Bamberg v. 20.3.1990 - 2 UF 49/90, FamRZ 1990, 1135 [1136]; FA-FamR/Oelkers, 4. Aufl. 2002, 4. Kap. Rz. 439).

Nach Auffassung des Senats kann ein triftiger, das Kindeswohl nachhaltig berührender Abänderungsgrund vorliegen, wenn der sorgeberechtigte Elternteil sich als schlechthin erziehungsungeeignet offenbart, indem er das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung wiederholt verletzt. Nach § 1631 Abs. 2 BGB sind körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig. Die Entwürdigung kann in der Art der Maßnahme begründet sein oder in dem Ausmaß und ihrer Dauer bzw. in den Begleitumständen, z.B. Einsperren im Dunkeln (OLG Jena v. 10.3.2003 - 1 UF 264/02, OLGReport Jena 2003, 394 = FamRZ 2003, 1319 [1320] m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Nach dem Ergebnis der fam...

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