Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgerecht gemeinsames. Abänderungsverfahren. elterliche Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Abänderung der gemäß 1671, 1672 BGB geregelten gemeinsamen elterlichen Sorge setzt triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe voraus, die die mit einer Änderung der Erstentscheidung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen müssen.

2. Die Änderung ist weder mit dem Interesse eines beteiligten Elternteils noch ausschließlich mit einem entsprechenden Wunsch des Kindes zu begründen. Daher ist der inzwischen nicht mehr bestehende Wille eines Elternteils, das Sorgerecht gemeinsam auszuüben, für sich allein unbeachtlich.

3. Einer solchen Erklärung kommt nur dann entscheidungserhebliche Bedeutung zu, wenn sie Ausdruck einer inzwischen eingetretenen Entwicklung ist, die nach einer Änderung der gemeinsamen Sorge durch gerichtliche Entscheidung im Interesse des Kindes dringend verlangt.

 

Normenkette

BGB §§ 1671-1672, 1696

 

Verfahrensgang

AG Bruchsal (Beschluss vom 29.07.1997; Aktenzeichen 3 F 21/97)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Bruchsal vom 29.07.1997 (3 F 21/97) wird zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten in zweiter Instanz hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin (Kindesmutter) begehrt das alleinige Sorgerecht über die eheliche Tochter … geboren am 27.08.1992.

Die Parteien waren verheiratet. Aus ihrer Ehe ist … hervorgegangen. Durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Bruchsal vom 16.04.1996 wurde die Ehe der Parteien geschieden und das Sorgerecht über … beiden Eltern gemeinsam belassen.

… hat ihren Lebensmittelpunkt bei ihrer Mutter, besucht seit September 1995 den örtlichen Kindergarten und wird in Zeiten berufsbedingter Abwesenheit der Antragstellerin stundenweise von einer Tagesmutter betreut. Das Mädchen, das ein sehr enges Verhältnis zu seinem Vater hat, besucht diesen aufgrund einer durch Vermittlung des Jugendamtes zustandegekommenen Vereinbarung alle 14 Tage von Freitagabend bis Sonntagabend.

Mit Schriftsatz vom 17.01.1997 hat die Antragstellerin in erster Instanz die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge über … auf ihre Person beantragt. Zur Begründung ihres Abänderungsantrages nach § 1696 BGB hat sie auf eine inzwischen fehlende Verständigungsgrundlage mit dem Kindesvater, auf unterschiedliche Erziehungsansichten beider Eltern und auf die ihrer Ansicht nach ungeeignete Ausübung des Besuchsrechts durch den Antragsgegner (Kindesvater) verwiesen.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat – ungeachtet bestehender Spannungen mit der Kindesmutter – im Interesse von … den Weiterbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge befürwortet.

Das Familiengericht hat mit Beschluß vom 29.07.1997 (3 F 21/97) – in Abänderung der früheren Sorgerechtsentscheidung – die elterliche Sorge über … der Kindesmutter allein übertragen.

Aufgrund des inzwischen beeinträchtigten Kooperationswillens der Mutter bestehe die Gefahr ständiger Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern mit der Folge einer schädlichen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, der mit der alleinigen Sorgerechtszuweisung entgegengewirkt werden müsse.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner form- und fristgerecht eingereichten Beschwerde, mit der er den Beibehalt der gemeinsamen elterlichen Sorge über … erstrebt.

Nach seiner Ansicht betreffen die Streitpunkte der Parteien lediglich die Elternebene, ohne daß sie durch eine Neuentscheidung über das Sorgerecht beseitigt werden könnten. Zum Beweis dafür, daß die gemeinsame elterliche Sorge kindeswohlgerecht sei und die Gefahr einer kindlichen Fehlentwicklung nicht bestehe, hat er die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens beantragt.

Die Kindesmutter ist der Beschwerde entgegengetreten.

Sie verweist u.a. auf das im gerichtlichen Verfahren zutagegetretene gestörte Verhältnis zwischen den Parteien. Die unerträglichen Spannungen müßten durch ihr alleiniges Sorgerecht beendet werden. Sie empfindet das gemeinsame Sorgerecht inzwischen als Zwang und Muß, mit dem Kindesvater zu kooperieren. Die Vertrauensbasis sei zerstört und nur ein Kompetenzgerangel zum Nachteil von … geblieben. Anläßlich der Übergabe des Kindes an den Antragsgegner komme es ständig zu Meinungsverschiedenheiten und Streit. Diese tiefgreifenden Spannungen spüre das Kind und werde in diese zu seinem Schaden miteinbezogen mit der Folge, daß es bereits mit dem Versuch begonnen habe, beide Eltern gegeneinander auszuspielen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der erstinstanzlichen Akten des Familiengerichts Bruchsal verwiesen. Das Jugendamt des Landratsamts Karlsruhe – Außenstelle Bruchsal – ist erneut beteiligt worden und hat auf seine erstinstanzliche Stellungnahme vom 23.06.1997 verwiesen, wonach ein w...

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