Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 261 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 ZPO hat die Rechtshängigkeit einer Streitsache die Wirkung, dass sie während der Dauer der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Dies gilt auch, wenn die Rechtshängigkeit der Angelegenheit vor einem ausländischen Gericht eingetreten ist, sofern dessen internationale Zuständigkeit besteht und die ausländische Entscheidung im Inland anerkannt werden kann.

2. Eine im Ausland ergangene, in Deutschland anzuerkennende Sorgerechtsentscheidung hat die Wirkung, dass grundsätzlich eine inhaltlich übereinstimmende Sachentscheidung zu ergehen hat, es sei denn, es ist deutsches Sachrecht anzuwenden und unter den Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB eine Änderung angezeigt.

3. Die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts gleichzeitig an mehreren Orten ist möglich und kommt namentlich bei einem von den Kindeseltern praktizierten "Wechselmodell" in Betracht.

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 17.06.2003; Aktenzeichen 40 F 330/03 So)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 17.6.2003 verkündete Beschluss des AG - FamG - in Saarbrücken - 40 F 330/03 So - dahingehend abgeändert, dass der Antrag des Antragstellers, ihm die alleinige elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, für die gemeinsamen Kinder der Parteien R.P.Y.B., geboren am November 1993 und M.A.C.B., geboren am November 1995 zu übertragen, zurückgewiesen wird.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Beschwerdewert: 3.000 Euro.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und der Antragsgegnerin haben am 31.10.1996 miteinander die Ehe geschlossen, aus der die Kinder R. P. Y. B., geboren am November 1993 und M. A. C. B., geboren am November 1995, hervorgegangen sind. Durch Urteil des AG - FamG - in Saarbrücken vom 24.9.2002 wurde die Ehe - rechtskräftig - geschieden.

Beide Kinder haben sowohl die deutsche als auch die französische Staatsangehörigkeit. Sie haben bis zur Trennung der Kindeseltern im Oktober 2000 in der gemeinsamen, vom Antragsteller heute noch bewohnten Ehewohnung in K. gelebt. Nach der Trennung bezog die Antragsgegnerin eine Wohnung in S.; die Kindeseltern trafen eine Vereinbarung, wonach die Kinder wöchentlich von Dienstag auf Mittwoch und von Freitag auf Samstag sowie 14-tägig von Freitag bis Sonntag beim Antragsteller und im Übrigen bei der Antragsgegnerin übernachten sollten. Sie besuchten die Grundschule in G., an welcher der Antragsteller als Lehrer und Schulleiter tätig ist; zwischenzeitlich geht R. auf das D.-F. Gymnasium in S. Üblicherweise fuhr der Antragsteller die Kinder an jedem Schultag morgens (gegen 7.30 Uhr) zur Schule und die Antragsgegnerin, die als Lehrerin in einer Ganztagsschule in S. tätig war, holte sie gegen 17.00 Uhr wieder ab.

Eine gerichtliche Regelung des Sorgerechts wurde zunächst nicht getroffen. Mit ihrem, dem Antragsteller am 6.12.2002 zugestellten Antrag hat die Antragsgegnerin beim Tribunal de Grande Instance in S. u.a. beantragt, die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts für die beiden Kinder festzustellen und ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Mit seinem am 7.5.2003 beim AG - FamG - in Saarbrücken eingereichten Antrag hat der Antragsteller u.a. beantragt, ihm die alleinige elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, für die beiden Kinder zu übertragen. In dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das FamG unter Abweisung des weiter gehenden Antrags dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Mit Beschluss vom 26.6.2003 hat das Tribunal de Grande Instance in S. u.a. festgestellt, dass das elterliche Sorgerecht für die beiden Kinder von den Eltern gemeinsam ausgeübt wird und - unter Zurückweisung des Antrags auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts - den Aufenthalt der Kinder nach bestimmten, im Einzelnen näher ausgeführten Modalitäten abwechselnd beim Antragsteller und bei der Antragsgegnerin festgelegt.

Die Antragsgegnerin hat gegen den erwähnten Beschluss des AG - FamG - in Saarbrücken, auf den Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt und beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Anträge des Kindesvaters zurückzuweisen, hilfsweise das Verfahren an eine andere Abteilung des FamG in Saarbrücken zurückzuverweisen, höchst hilfsweise der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder zu übertragen.

Die Antragsgegnerin, die zwischenzeitlich nach Südfrankreich umgezogen ist, vertritt u.a. die Ansicht, dass die Anträge des Antragstellers unzulässig seien, weil die vorrangige Rechtshängigkeit des Sorgerechtverfahrens vor dem Tribunal De Grande Instance in S. nicht berücksichtigt worden sei.

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die gem. §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.

Die im zweiten Rechtszug gestellten Anträ...

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