Das Wichtigste in Kürze:

1. Durch das 2. KostRMoG ist § 38a RVG eingeführt worden, nach dem EGMR-Verfahren abgerechnet werden.
2. Die Vorschrift gilt für den Wahlanwalt, sie gilt aber nicht ohne weiteres auch für den Pflichtverteidiger.
3. Jedes Verfahren beim EGMR ist eine selbstständige Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Ausgangsverfahren und Verfahren beim EGMR sind unterschiedliche Angelegenheiten.
4. Nach § 38a S. 1 RVG entsteht eine Verfahrensgebühr.
5. Ggf. entsteht eine Terminsgebühr, wenn eine mündliche Verhandlung beim EGMR stattfindet.
6. Die Gebühren nach § 38a S. 1 RVG sind der Höhe nach vom Gegenstandswert abhängig. Bei dessen Festsetzung kann es zu Schwierigkeiten kommen.
 

Rdn 315

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Anwaltsvergütung in Verfahren vor dem EGMR, RVGreport 2013, 421

s.a. die Hinw. bei → Allgemeine Gebührenfragen, Allgemeines, Teil D Rdn 2, und bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2.

 

Rdn 316

1.a) In der Vergangenheit ist immer wieder kritisiert worden, dass das RVG keine ausdrückliche Regelung für die anwaltliche Vergütung für Tätigkeiten in Verfahren vor dem EGMR enthielt. § 37 RVG, der die Gebühren des RA in Verfahren vor den Verfassungsgerichten regelt (vgl. dazu → Verfassungsbeschwerde, Abrechnung, Teil D Rdn 456 ff.; Burhoff RVGreport 2013, 298), erfasste nämlich nach allgemeiner Meinung nicht die Verfahren vor dem EGMR, wie z.B. die Menschenrechtsbeschwerde nach Art. 34 MRK (Gerold/Schmidt/Burhoff, [20. Aufl.], § 37 Rn 1; Burhoff, a.a.O.). Sie wurden auch nicht von § 38 RVG erfasst, da dieser nur Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH regelt (Gerold/Schmidt/Burhoff, § 37 Rn 1; Burhoff RVGreport 2013, 421).

 

Rdn 317

b) Durch das 2. KostRMoG ist diese Lücke durch Aufnahme des § 38a RVG geschlossen worden. Danach gelten in Verfahren vor dem EGMR die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV RVG entsprechend. Diese Regelung entspricht der Regelung für Verfahren vor dem BVerfG, die für Verfassungsbeschwerden anzuwenden ist (§ 37 Abs. 2 RVG; → Verfassungsbeschwerde, Abrechnung, Teil D Rdn 456).

 

Rdn 318

§ 38a RVG gilt für "Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte". Das sind neben den hier nicht behandelten Staatenbeschwerdeverfahren (Art. 33 MRK) und Gutachtenverfahren (Art. 47 MRK) das in Art. 34 MRK geregelte Individualbeschwerdeverfahren bzw. die sog. Menschenrechtsbeschwerde (→ Menschenrechtsbeschwerde, Teil C Rdn 1 ff.). Die Regelung für die Gebühren des in diesem Verfahren tätigen Rechtsanwalts entspricht damit der Regelung in § 37 Abs. 2 RVG, die u.a. für Verfassungsbeschwerden beim BVerfG anzuwenden ist. Der Gesetzgeber ist bei Einführung der neuen Vorschrift davon ausgegangen, dass die Verfahren beim EGMR sich ihrem Gegenstand nach nicht wesentlich von Verfassungsbeschwerdeverfahren unterscheiden (BT-Drucks 17/11471, S. 269). Das ist zumindest für die Individualbeschwerde nach Art. 34 MRK, die in der Praxis die größte Rolle spielt, zutreffend.

 

Rdn 319

c) Trotz der Neuregelung des § 38a RVG wird die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen eines EGMR-Verfahrens im Zweifel im Hinblick auf die i.d.R. hohe Bedeutung, den großen Umfang und die erhebliche Schwierigkeit der Verfahren immer noch nicht ausreichend honoriert. Hinzukommen die Schwierigkeiten bei der Bestimmung und Festsetzung des maßgeblichen Gegenstandswertes (vgl. dazu Rdn 332) Deshalb wird es sich für den Rechtsanwalt nach wie vor empfehlen, eine Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) zu schließen, was in der Praxis auch üblich sein dürfte (zur Vergütungsvereinbarung → Allgemeine Gebührenfragen, Wahlverteidiger, Teil D Rdn 36 ff.). Möglich und zulässig sind Pauschalhonorare für ganze Verfahren beim EGMR. Die Vergütung kann aber auch für Verfahrensabschnitte wie Einreichung der Beschwerdeschrift, das Verfahren bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung vor der Kammer oder der Großen Kammer oder auch die mündliche Verhandlung vereinbart werden. Möglich ist auch die Vereinbarung einer zeitbezogenen Abrechnung nach Stunden zu bestimmten Stundensätzen. Möglich ist auch die Vereinbarung eines bestimmten Gegenstandswertes.

 

Rdn 320

2. Die Vorschrift des § 38a RVG hat folgenden persönlichen Anwendungsbereich:

 

Rdn 321

§ 38a RVG gilt für jeden Rechtsanwalt, der als Wahlanwalt in einem Menschenrechtsbeschwerdeverfahren nach Art. 34 MRK tätig wird.

 

Rdn 322

Die Bestellung oder Beiordnung eines Rechtsanwalts ist in der VerfO-EGMR nicht vorgesehen. Allerdings kann nach Art. 100 ff. VerfO-EGMR die Gewährung von PKH in Betracht kommen (eingehend → Menschenrechtsbeschwerde, Prozesskostenhilfe, Teil C Rdn 234 m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 38a Rn 34 ff.).

 

☆ War der Rechtsanwalt für das (Straf-)Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt war, sind die Tätigkeiten, die im Hinblick auf eine Menschenrechtsbeschwerde erbracht werden, nicht von der Pflichtverteidigerbestellung umfasst (OLG Rostock RVGreport 2010, 380 m. Anm. Burhoff StRR 2010, 470; LG Neubrandenb...

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