Das Wichtigste in Kürze:

1. Disziplinarmaßnahmen zum NachTeil strafrechtlich Untergebrachter sind ausgehend von der Zielrichtung des § 63 StGB unzulässig, da sie nicht der Sicherung der Allgemeinheit dienen und auch keine Heilung bzw. Pflege des Untergebrachten bezwecken.
2. Allein zur Disziplinierung unbotmäßigen Verhaltens sind Disziplinarmaßnahmen unzulässig.
3. Rechtsschutz besteht auch dann, wenn die Maßnahme bereits beendet ist, sofern ein Feststellungsinteresse besteht, § 115 Abs. 3 StVollzG.
 

Rdn 27

 

Literaturhinweise:

Lindemann, Die Sanktionierung unbotmäßigen Patientenverhaltens. Disziplinarische Aspekte des psychiatrischen Maßregelvollzugs, 2004

s.a. die Hinweise bei → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 2.

 

Rdn 28

1. Disziplinarmaßnahmen zum NachTeil strafrechtlich Untergebrachter sind jedoch ausgehend von der Zielrichtung des § 63 StGB unzulässig, da sie nicht der Sicherung der Allgemeinheit dienen und auch keine Heilung bzw. Pflege des Untergebrachten bezwecken, sondern lediglich dessen Disziplinierung (vgl. OLG München StV 2009, 150 zum unzulässigen andauernden Zimmerarrest, obwohl das geltende BayUnterbrG im Unterschied zu anderen Maßregelvollzugsgesetzen keine Disziplinarmaßnahmen vorsieht). Die Praxis setzt Rückstufungen von Lockerungen demgegenüber aber dennoch häufig als Sanktion gegen unbotmäßiges Verhalten der Untergebrachten ein (anschaulich zum Verlauf in der Praxis OLG Hamburg StraFo 2007, 259; → Maßregelvollzug, Lockerungen, Teil C Rdn 89).

 

Rdn 29

2. Hinzuweisen ist u.a. auf folgende

 

Rechtsprechungsbeispiele:

Zum einwöchigen Zimmerarrest bei fortwährendem Ausleben eines sog. "Windelfetischismus" im Rahmen einer komplexen sexuellen Devianz und damit einhergehend hygienisch desolatem Zustand, der zu Missmut bei der Patientengemeinschaft führt s. BVerfG R&P 2008, 46 ff., wonach die StVK klären muss, ob der Zimmerarrest überhaupt als Behandlungsmaßnahme zu werten ist;
Zur dreiwöchigen (!) Absonderung wegen des Umbaus einer Nachttischlampe in einen Tauchsieder s. OLG Koblenz StraFo 2006, 87, wonach die Absonderung offensichtlich zur Bestrafung des Untergebrachten missbraucht wurde. Eine so schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründet i.Ü. automatisch die Wiederholungsgefahr, so dass ein Feststellungsinteresse besteht, dass die Maßnahme rechtswidrig war.
Zum Entzug von Gegenständen, wie z.B. Schreibmaschine, Musikanlage, TV u.a., wegen verbal provozierenden und das Stationsklima störenden Verhaltens s. OLG Hamburg StraFo 2007, 259, wonach es der Bedeutung des Rechts auf den Besitz persönlicher Gegenstände widerspricht, den Entzug von Gegenständen im Maßregelvollzug ohne gesetzliche Ermächtigung allein damit zu begründen, dass diese Maßnahme aus Behandlungsgründen, nämlich zur Korrektur unerwünschter Neigungen erforderlich sei (vgl. auch BVerfG NStZ-RR 2007, 92). Der Besitz persönlicher Gegenstände ist keine Vergünstigung, die der Untergebrachte sich durch Wohlverhalten erst verdienen muss, sondern ein auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhendes Recht, das ihm unabhängig von seinem Verhalten zusteht.
Hinsichtlich der Folgen der rechtswidrigen Versagung bzw. Rücknahme von Lockerungen als Disziplinarmaßnahme für die Prognose vgl. BVerfG NJW 2009, 1941, wonach das Prognosedefizit nicht zulasten des Untergebrachten gehen darf (→ Maßregelvollzug, Lockerungen, Teil C Rdn 89).
 

☆ Das Rechtsmittel wird nicht dadurch unzulässig , dass die angegriffene Maßnahme bereits erledigt ist. Es wird stattdessen – wenn der Untergebrachte die Sache nicht für erledigt erklärt – von der StVK auf Antrag festgestellt, dass die Maßnahme rechtswidrig war (§ 115 Abs. 3 StVollzG), sofern ein anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art besteht.nicht dadurch unzulässig, dass die angegriffene Maßnahme bereits erledigt ist. Es wird stattdessen – wenn der Untergebrachte die Sache nicht für erledigt erklärt – von der StVK auf Antrag festgestellt, dass die Maßnahme rechtswidrig war (§ 115 Abs. 3 StVollzG), sofern ein anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art besteht.

Siehe auch: → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 1 m.w.N.; → Maßregelvollzug, Lockerungen, Teil C Rdn 89; → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 179 m.w.N.

[Autor] Werning

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