Das Wichtigste in Kürze:

1. Lockerungsmaßnahmen müssen von Beginn an im Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan thematisiert werden. Sie dienen der Erprobung und der Vorbereitung der Entlassung.
2. Für die Untergebrachten sind die Lockerungsmaßnahmen vor allem deshalb von sehr großer Bedeutung, da ohne sie i.d.R. keine Entlassung erfolgt.
3. Der für jeden im Maßregelvollzug Untergebrachten zu erstellende Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan muss sich von Beginn an zu Lockerungen und Entlassungsvorbereitungen äußern.
4. Liegt eine Psychose oder liegt eine konkrete Missbrauchs- oder Fluchtgefahr vor, sind Lockerungen zu versagen.
5. Ob die StA den beantragten Lockerungen zustimmen muss, ist in den Landesgesetzen nicht einheitlich geregelt.
6. In der Praxis werden verschiedene Lockerungsstufen unterschieden. Ob Lockerungen gewährt werden, wird im Rahmen einer sog. Lockerungskonferenz entschieden.
7. Will die StVK die Versagung der Vollzugslockerung bestätigen, muss sie den Beschluss vergleichbar einem UrTeil begründen.
 

Rdn 90

 

Literaturhinweise:

Kammeier, Lockerungen und Entlassungen aus der psychiatrischen Maßregel, R&P 2013, 3 ff.

Pollähne, Lockerungen im Maßregelvollzug, 1994

Volckart, Rechtsanspruch auf Lockerungen und Urlaub im Maßregelvollzug, 1984

Reichenbach, Zur Erzwingung von Vollzugslockerungen zur Vorbereitung der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug (Besprechung von BVerfG NJW 2009, 1941), NStZ 2010, 424

Kitzberger/Engel/Nosko, Risikoorientiert und maßgeschneidert? Trends im österreichischen Maßnahmenvollzug, R&P 2014, 4 ff.

Kruis, Die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln und die Verhältnismäßigkeit, StV 1998, 94 ff.

s.a. die Hinweise bei → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 2.

 

Rdn 91

1. Lockerungsmaßnahmen müssen von Beginn an im Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan thematisiert werden (vgl. a. Rdn 94). Sie dienen der Erprobung und der Vorbereitung der Entlassung, sind also Teil der Resozialisierung. Untergebrachte haben deshalb einen Rechtsanspruch auf Gewährung solcher Vollzugslockerungen (sog. extramurale Belastungserprobungen), die kriminalprognostisch verantwortet werden können (Pollähne StraFo 2007, 486, 488), denn im Vorfeld einer die Erledigung bzw. Aussetzung der Maßregel beschließenden Entscheidung sind insbesondere Vollzugslockerungen zu erlangen und – im Einzelfall nicht immer unproblematisch – auch vom Untergebrachten zu bewältigen. Ein häufiges Problem stellt in der Praxis die Null-Toleranz-Politik einiger Krankenhäuser dar, die bereits bei kleinsten Regelverstößen oder Unbotmäßigkeiten der Untergebrachten sämtliche Lockerungen streichen mit der Folge, dass die Mandanten unmotiviert und verzweifelt sind und so praktisch von einer Minute auf die andere um Monate in ihrer Entlassvorbereitung zurückgeworfen werden.

 

☆ Die Verteidigung darf deshalb nicht nur auf Veränderungen reagieren, sondern muss auch proaktiv agieren und auf die Klinik, den Gutachter und die Vollstreckungsbehörde zugehen, um auf den Verlauf Einfluss zu nehmen ( Pollähne StraFo 2007, 407, 412).Verteidigung darf deshalb nicht nur auf Veränderungen reagieren, sondern muss auch proaktiv agieren und auf die Klinik, den Gutachter und die Vollstreckungsbehörde zugehen, um auf den Verlauf Einfluss zu nehmen (Pollähne StraFo 2007, 407, 412).

 

Rdn 92

2. Für die Untergebrachten sind die Lockerungsmaßnahmen von sehr großer Bedeutung, da sie nicht nur Abwechslung vom Klinikalltag bedeuten, sondern vor allem ohne sie i.d.R. keine Entlassung erfolgt. Dabei geht das BVerfG davon aus, dass die rechtswidrige Versagung von Lockerungen nicht zum NachTeil des Untergebrachten gereichen darf (vgl. zur Erzwingung von Vollzugslockerungen zur Vorbereitung der Entlassung aus dem Strafvollzug BVerfG NJW 2009, 1941; Reichenbach NStZ 2010, 424; konkret zum Maßregelvollzug BVerfG NStZ-RR 2012, 387 ff.; zur Aussetzung der restlichen Sicherungsverwahrung bei Verweigerung von Vollzugslockerungen ohne ersichtlichen Grund s. auch OLG Frankfurt StV 2013, 581).

 

Rdn 93

Das BVerfG (NJW 2009, 1941) verweist (für den Strafvollzug) darauf, dass das Gericht sich bei der Entscheidung über die Aussetzung, die es (auch) auf die fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen stützen will, nicht mit einer begrenzten Tatsachengrundlage abfinden darf, sondern selbstständig klären muss, ob die Begrenzung der Prognosebasis zu rechtfertigen ist, weil die Versagung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruhte. Die gerichtliche Entscheidung über die Strafrestaussetzung beruhet auf unzureichender Sachaufklärung, wenn das Gericht dieser Prüfungspflicht nicht nachkomme. Die fehlende Erprobung des Betroffenen dürfe bei der Prognose nur dann ohne Einschränkungen zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn hinreichende Gründe für die Nichtgewährung von Lockerungen vorlagen. Sei die Versagung von Lockerungen unberechtigt, so begründet dies ein von der Exekutive zu verantwortendes Prognosedefizit, wobei die Versagung nicht unbesehen zum NachTeil des Gefa...

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