Das Wichtigste in Kürze:

1. Mit den §§ 109 ff. StVollzG steht den von einer Maßnahme des Strafvollzugs betroffenen Personen ein eigenständiges Rechtsbehelfsinstrumentarium zur Verfügung, welches grundlegend sämtliches sie betreffendes Verhalten der Vollzugsbehörden – also grundsätzlich der JVA – einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit durch die StVK unterwirft.
2. Aufgrund vielfacher gesetzlicher Verweisungen sind die §§ 109 ff. StVollzG nicht nur für die Maßnahmen einer JVA gegenüber den dort ihre Freiheitsstrafe verbüßenden Verurteilten anwendbar, sondern auch in anderen Fällen. Im Bereich der U-Haft finden die §§ 109 ff. StVollzG allerding s keine Anwendung. Hier ist gerichtlicher Schutz über §§ 119 Abs. 5, 119a StPO zu verfolgen
3. Das Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG ähnelt im Wesentlichen der Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren.
4. Es gelten die Dispositionsmaxime und der Aufklärungsgrundsatz.
5. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt (§ 115 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Rechtliches Gehör ist aber zu gewährleisten.
6. Soweit unbestimmte Rechtsbegriffe im Raum stehen bleibt die Anwendung solcher Begriffe durch die Vollzugsbehörde grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar; insbesondere bei Wertungs- oder Prognoseentscheidungen der Vollzugsbehörde – im Hinblick etwa auf die Gewährung von Vollzugslockerungen – gilt dieser Grundsatz indessen nur eingeschränkt.
7. Steht der Vollzugsbehörde auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen zu, beschränkt sich die richterliche Überprüfung darauf, ob die Vollzugsbehörde sich ihres Ermessens überhaupt bewusst war und ob sie dieses fehlerfrei im Rahmen der gesetzlich gegebenen Grenzen ausgeübt hat.
8. Kommt die Vollzugsbehörde ihrer durch Beschluss auferlegten Pflicht zur Vornahme bestimmter Amtshandlungen nicht nach, kann die StVK auf Antrag des Antragstellers unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu 10.000 EUR androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken.
 

Rdn 180

 

Literaturhinweise:

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Dünkel, Die Rechtsstellung von Strafgefangenen und Möglichkeiten der rechtlichen Kontrolle von Vollzugsentscheidungen in Deutschland, GA 1996, 518

Kamann, Der Beurteilungsspielraum und sein Einfluss auf die Ver-un-rechtlichung des Strafvollzuges, ZRP 1994, 474

Kruis/Cassardt, Verfassungsrechtliche Leitsätze zum Vollzug von Straf- und Untersuchungshaft, NStZ 1995, 521 u. 574

Lübbe-Wolff/Lindemann, Neuere Rechtsprechung des BVerfG zum Vollzug von Straf- und Untersuchungshaft und zum Maßregelvollzug, NStZ 2007, 450

Müller-Dietz, Aufgaben und Möglichkeiten der Verteidigung im Strafvollzug, StV 1982, 83

ders., Verfassungsrechtliche Anforderungen an den gerichtlichen Rechtsschutz nach den §§ 109 ff. StVollzG, Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts – Festschrift für Gerhard Lüke, 1997, 503

Peglau, Rechtsschutz in Strafvollzugssachen – Grundlagen und Fehlervermeidung, NJW 2014, 2012

Schäfersküpper/Schmidt, Das neue Zwangsgeld gegen Vollzugsbehörden – Ein unbekanntes Wesen, StV 2014, 184

Schneider, Tempus fugit. Trendwende in der Rechtsprechung zu den unbestimmten Rechtsbegriffen?, ZfStrVo 1999, 140

Spaniol, Die Arbeit der Strafvollstreckungskammer – Licht und Schatten, FS 2012, 253

Treptow, Gerichtliche Kontrolle von Ermessensentscheidungen und unbestimmten Rechtsbegriffen im Strafvollzugsrecht, NJW 1978, 2227

ders., Zur Tätigkeit der Strafvollstreckungskammer in Vollzugssachen, NJW 1978, 1037

Zieger, Vernachlässigte Tätigkeitsfelder der Verteidigung – insbesondere Vollstreckung und Vollzug, StV 2006, 375

Zwiehoff, Die Rechtsbehelfe des Strafgefangenen nach §§ 109 ff. StVollzG, 1986.

 

Rdn 181

1. Wie alle staatlichen Eingriffe in subjektive Rechte unterliegen auch solche gegenüber Strafgefangenen der Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle. Überlegungen, wegen des Bestehens eines besonderen Gewaltverhältnisses sei eine Justitiabilität solcher Eingriffe nicht gegeben, sind überholt (BVerfGE 33, 1). Mit den §§ 109 ff. StVollzG steht den von einer Maßnahme des Strafvollzugs betroffenen Personen ein eigenständiges Rechtsbehelfsinstrumentarium zur Verfügung, welches grundlegend sämtliches sie betreffendes Verhalten der Vollzugsbehörden – also grundsätzlich der JVA – einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit durch die StVK unterwirft. Zwar ist die Materie des Strafvollzugs seit der Föderalismusreform (BGBl I 2006, 2034) Sache der Bundesländer geworden, das hierzu vorgesehene gerichtliche Verfahren richtet sich aber gleichwohl weiterhin nach Bundesrecht (SBJL/Laubenthal, § 109 Rn 1). Etwaige Verweise des Landesrechts auf die §§ 109 ff. StVollzG, wie etwa in § 102 NJVollzG, sind daher rein deklaratorischer Natur.

 

Rdn 182

Daneben sehen die landesrechtlichen Vorschriften und ergänzend in § 108 StVollzG die Möglichkeit vor, Beschwerden gegenüber der Vollzugsbehörde bzw. dem Anstaltsleiter vorzubringen (§ 92 JVollzGB Buch 3 [BW], Art. 115 BayStVollzG, § 105 BbgJVollzG, § 92 StVollzG B...

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