Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Gerichtshof entscheidet nach freiem Ermessen, ob er eine mündliche Verhandlung (Art. 40 EMRK) anberaumt.
2. Der Beschwerdeführer muss in der mündlichen Verhandlung grds. rechtlich vertreten sein.
3. Gegenstand der öffentlichen Verhandlung können sowohl Fragen der Zulässigkeit als auch der Begründetheit sein.
4. Die mündliche Verhandlung bietet dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, seine bisherigen schriftlichen Rügen zu vertiefen.
5. Eine gründliche Vorbereitung der Verhandlung ist geboten.
6. Der äußere Ablauf der mündlichen Verhandlung variiert von Fall zu Fall.
 

Rdn 210

 

Literaturhinweise:

Meyer-Ladewig, Oral hearings before the new European Court of Human Rights, GS Ryssdal, S. 921

Myer/Mol/Kempees/v. Steijn/Bockwinkel/Uerpmann, EGMR-Verfahren – Die häufigsten Irrtümer bei Einreichen einer Beschwerde, MDR 2007, 505

s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2, m.w.N.

 

Rdn 211

1. Der Gerichtshof entscheidet nach freiem Ermessen, ob er eine mündliche Verhandlung (Art. 40 EMRK) anberaumt. Die Entscheidung hierüber obliegt den Kammern oder dem Präsidenten der Großen Kammer (Art. 54 Abs. 3, 59 Abs. 3, 71 Abs. 2 VerfO-EGMR). Bei letzterer wird von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch gemacht. Die Anhörung vor einer Kammer stellt hingegen die Ausnahme dar.

 

Rdn 212

2. Ebenso wie im schriftlichen Verfahren nach Zustellung der Beschwerdeschrift (→ Menschenrechtsbeschwerde, Verfahrensablauf, Verfahren vor der Kammer, Teil C Rdn 388) muss der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung grds. rechtlich vertreten sein, wenn ihm nicht der Kammerpräsident erlaubt, seine Interessen – gegebenenfalls mit rechtlicher Unterstützung – selbst zu vertreten (Art. 36 Abs. 3 VerfO-EGMR).

 

☆ Ein Wortprotokoll wird während der Anhörung nicht geführt. Die gesamte Verhandlung wird aber auf Band aufgenommen . Wenn der Vorsitzende es – z.B. bei einer unzureichenden simultanen Übersetzung – für notwendig erachtet, wird hiervon eine wortwörtliche Übertragung in Schriftform angefertigt. In einem solchen Ausnahmefall erhalten die Parteien eine Kopie der Aufnahme, um ggfs. eine Korrektur ihres Vortrags vornehmen zu können.Wortprotokoll wird während der Anhörung nicht geführt. Die gesamte Verhandlung wird aber auf Band aufgenommen. Wenn der Vorsitzende es – z.B. bei einer unzureichenden simultanen Übersetzung – für notwendig erachtet, wird hiervon eine wortwörtliche Übertragung in Schriftform angefertigt. In einem solchen Ausnahmefall erhalten die Parteien eine Kopie der Aufnahme, um ggfs. eine Korrektur ihres Vortrags vornehmen zu können.

 

Rdn 213

3.a) Gegenstand der öffentlichen (Art. 63 VerfO-EGMR) Verhandlung können sowohl Fragen der Zulässigkeit (§ 54 Abs. 3 VerfO-EGMR) als auch der Begründetheit (Art. 59 Abs. 3 VerfO-EGMR) sein. I.d.R. werden aber nunmehr infolge des 14. Zusatzprotokolls beide Bereiche zusammen verhandelt (Art. 54 Abs. 3 S. 2 VerfO-EGMR).

 

Rdn 214

b) Dies erfolgt in einer der Amtssprachen (→ Menschenrechtsbeschwerde, Sprache, Teil C Rdn 292) des Gerichtshofs unter gleichzeitiger Übersetzung in die jeweils andere Sprache (Grabenwarter/Pabel, § 13 Rn 65). Letzteres ist nicht ohne Tücken, wenn die Abgabe der mündlichen Stellungnahme in "einer anderen Sprache", z.B. in Deutsch, erfolgt. Diese nach Art. 34 Abs. 4 Buchst. a) VerfO-EGMR bestehende Möglichkeit wird zwar regelmäßig vom jeweiligen Präsidenten genehmigt, birgt aber Probleme in der tatsächlichen Umsetzung. Auftretende Verständigungsschwierigkeiten und Verzögerungen, wenn es zu solchen kommt, können der Sache abträglich sein.

 

Rdn 215

Der Verfahrensbevollmächtigte sollte daher, unter Ausarbeitung eines entsprechenden Manuskripts, in einer der Amtssprachen vortragen (Myer/Mol/Kempees/v. Steijn/Bockwinkel/Uerpmann MDR 2007, 507). Falsche Scheu ist hier ohnehin fehl am Platz. Bei der Mehrzahl der Mitglieder des Gerichts handelt es sich ebenfalls nicht um "Muttersprachler". Ein Vortrag in einer einfach gehaltenen Sprache dürfte einer unmittelbaren und reibungslosen Verständigung daher eher förderlich sein, als eine simultane Übersetzung.

 

☆ Nach § 36 Abs. 5 VerfO-EGMR erfolgt keine Übersetzung der offiziellen Sprachen in die dritte Sprache. Es empfiehlt sich gleichwohl, den Antrag auf Befreiung vom Gebrauch der Gerichtssprachen zu stellen. Dies hat den Vorteil, dass auf etwaige Fragen einzelner Mitglieder des Gerichtshofs während der Verhandlung in der eigenen Sprache geantwortet werden kann. Diese Antworten werden dann, im Gegensatz zu der gestellten Frage (passive Sprachkenntnisse!), simultan in eine der Amtssprachen übersetzt.empfiehlt sich gleichwohl, den Antrag auf Befreiung vom Gebrauch der Gerichtssprachen zu stellen. Dies hat den Vorteil, dass auf etwaige Fragen einzelner Mitglieder des Gerichtshofs während der Verhandlung in der eigenen Sprache geantwortet werden kann. Diese Antworten werden dann, im Gegensatz zu der gestellten Frage (passive Sprachkenntnisse!), simultan in eine der Amtssprachen übersetzt.

 

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