Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Frist zur Einlegung der Menschenrechtsbeschwerde beträgt sechs Monate nach der letzten innerstaatlichen Entscheidung.
2. Der Fristbeginn beurteilt sich in der Regel nach der Möglichkeit der Kenntnisnahme der letzten innerstaatlichen Entscheidung.
3. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige postalische Aufgabe.
4. Die Fristberechnung entspricht im Wesentlichen dem deutschen Recht.
 

Rdn 181

 

Literaturhinweise:

Lauff, Der Schutz bürgerlicher und politischer Rechte durch die Vereinten Nationen, NJW 1981, 2611

Meyer-Ladewig, Unklarheiten bei der Berechnung der Beschwerdefrist in Straßburg?, NJW 2011, 1559

Rudolf/v. Raumer, Die Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – Eine kaum genutzte Chance, AnwBl. 2009, 313

s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2, m.w.N.

 

Rdn 182

1. Die Frist zur Einlegung der Menschenrechtsbeschwerde beträgt nach Art. 35 Abs. 1 EMRK sechs Monate nach der letzten innerstaatlichen Entscheidung. Diese Frist dient der Rechtssicherheit (EGMR, Entsch. v. 24.8.2004 – 6638/03 [P.M./Vereinigtes Königreich m.w.N.]) und steht nicht zur Disposition des Gerichtshofs, der die Einhaltung der Frist von Amts wegen prüft (EGMR, Entsch. v. 25.1.2000 – 34979/97 [Walker/Vereinigtes Königreich]). Die Frist knüpft damit an die Rechtswegerschöpfung (→ Menschenrechtsbeschwerde, Rechtswegerschöpfung, Teil C Rdn 251) an, deren letzte innerstaatliche Entscheidung Ansatzpunkt für Lauf und Berechnung der Frist ist.

 

☆ Seit der Erklärung von Brighton vom 19. und 20.4.2012 (Nr. 15a, Zusammenfassung in EuGRZ 2012, 265) ist beabsichtigt , die Frist auf künftig vier Monate zu verkürzen . Die entsprechenden Änderungen sind bereits im Protokoll Nr. 15 zur EMRK formuliert, so dass sie nach dessen Ratifikation in Kraft treten werden.beabsichtigt, die Frist auf künftig vier Monate zu verkürzen. Die entsprechenden Änderungen sind bereits im Protokoll Nr. 15 zur EMRK formuliert, so dass sie nach dessen Ratifikation in Kraft treten werden.

 

Rdn 183

2.a) Der Fristbeginn beurteilt sich in der Regel nach der Möglichkeit der Kenntnisnahme der letzten innerstaatlichen Entscheidung (s.a. → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 150; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1845, m.w.N.):

 

Rdn 184

 

Zusammenstellung Fristbeginn

Sieht das nationale Recht die schriftliche Bekanntgabe der Entscheidung vor, beginnt die Frist am Tag nach ihrem Zugang zu laufen (EGMR, Urt. v. 29.8.1997 – 22714/93 [Worms/Österreich Nr. 33], ÖJZ 1998, 35). Dies betrifft etwa Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, die dem Beschwerdeführer auf schriftlichem Weg mitgeteilt werden (§ 30 Abs. 3 BVerfGG).
Wird die letzte innerstaatliche Entscheidung öffentlich verkündet, beginnt die Frist mit dem Tag, der auf den Tag der öffentlichen Verkündung folgt (EGMR, Entsch. v. 23.10.2001 – 39641/98 [Loveridge/Vereinigtes Königreich]).
Ist weder die schriftliche Bekanntgabe noch die öffentliche Verkündung der Entscheidung vorgesehen, beginnt die Frist am Tag der Ausfertigung der Entscheidung, wenn der Beschwerdeführer in der Lage war, sich an diesem Tag Kenntnis vom Inhalt der Entscheidung zu verschaffen (EGMR [GK], Urt. v. 25.3.1999 – 31423/96 [Papachelas/Griechenland Nr. 30 f.], EuGRZ 1999, 319).
 

☆ Ist der Inhalt der letzten innerstaatlichen Entscheidung für die Erhebung der Menschenrechtsbeschwerde irrelevant, kann der Lauf der Frist bereits mit dem Datum der Verkündung beginnen, wenn dieses dem Beschwerdeführer bekannt gegeben wurde (EKMR, Entsch. v. 1.9.1993 – 21829/93 [ F.G. /Italien] zur Rüge der Verfahrensdauer).Datum der Verkündung beginnen, wenn dieses dem Beschwerdeführer bekannt gegeben wurde (EKMR, Entsch. v. 1.9.1993 – 21829/93 [F.G./Italien] zur Rüge der Verfahrensdauer).

 

Rdn 185

b)aa) Die letzte innerstaatliche Entscheidung bestimmt sich nach den national zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln, die es vor Erhebung der Menschenrechtsbeschwerde zu erschöpfen gilt, (→ Menschenrechtsbeschwerde, Rechtswegerschöpfung, Teil C Rdn 251).

 

Rdn 186

bb) (Gänzlich) untaugliche Rechtsmittel sind nicht geeignet, eine (neue) Beschwerdefrist in Gang zu setzen, anderenfalls stünde es dem Beschwerdeführer offen, den Ablauf der Frist durch Erhebung untauglicher Rechtsmittel hinauszuzögern (EGMR, Entsch. v. 5.1.2006 – 14881/04 [Fernie/Vereinigtes Königreich]). Vermeintlich effektive Rechtsmittel werden danach beurteilt, ab welchem Zeitpunkt dem Beschwerdeführer die mangelnde Effektivität bekannt war oder hätte sein müssen; kennt der Beschwerdeführer die mangelnde Effektivität oder musste er sie kennen, beginnt die Frist bereits mit der beanstandeten Maßnahme zu laufen (EGMR, Urt. v. 20.1.2011 – 21980/06 u.a. [Kuhlen-Rafsandjani/Deutschland Nr. 76], FamRZ 2011, 533 – zur deutschen Veröffentlichung des Sürmeli-Urteils im August 2006 in der NJW [bezüglich des Fehlens eines effektiven nationalen Rechtsmittels hinsichtlich der Überschreitung ...

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