Durch Vereinbarung ist es möglich, weitere privilegierte Maßnahmen über § 20 Abs. 2 WEG hinaus zu schaffen. Gerade bestimmte energetische Maßnahmen können – eine Gesetzesänderung antizipierend – durch einen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers flankiert werden.

§ 20 Abs. 2 Satz 1 WEG begrenzt den Anspruch auf angemessene Veränderungen und enthält einen abschließenden Katalog sog. privilegierter Maßnahmen; ein Split-Klimagerät fällt nicht darunter.[1]

Der Begriff "bauliche Veränderung" ist weit zu verstehen; von ihm werden auch Veränderungen der Anlagentechnik des Gebäudes erfasst.

4.4.4.1 Barriere-Reduzierung (§ 20 Abs. 2. Satz 1 Nr. 1 WEG)

Hierzu zählen solche baulichen Veränderungen, die "Menschen mit Behinderungen" – Behinderung ist hier nicht im engen Sinne des Sozialrechts zu verstehen – den Gebrauch der Mietsache erleichtern. Hierzu zählen Maßnahmen, die für eine Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Menschen zumindest eine Erleichterung sind. Barrierefreiheit i. S. d § 4 BGG muss nicht erreicht werden.

Diese Maßnahmen können anlasslos verlangt werden. Auf individuelle körperliche Defizite eines Wohnungseigentümers, seiner Angehörigen oder Mieter kommt es nicht an.[1]

Erfasst werden solche baulichen Maßnahmen und Anlagen, verkehrsmitteltechnische Gebrauchsgegenstände etc., die für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und i. d. R. ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Wegen der Zugangserleichterung z. B. für Patienten und Kunden mit (Geh-)Behinderungen besteht dem Grunde nach oft ein Anspruch auf eine Rollstuhlrampe im Zugangsbereich zum Aufzug.

Der in das Wohnungseigentumsrecht übertragene Rechtsgedanke des § 554 BGB n. F/§ 554a BGB a. F. hat zur Anerkennung des Anspruchs des betroffenen Eigentümers oder Mieters auf Zustimmung zur Vornahme einer baulichen Veränderung i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 WEG geführt.[2]

Nach jetzigem Recht hat nicht nur ein Behinderter einen Anspruch auf barrierereduzierende bauliche Maßnahmen.[3]

 
Praxis-Beispiel

Anspruch auf Barrierefreiheit/-reduzierung

  • Anspruch auf Zustimmung zur Anlegung eines behindertengerechten Wegs zur Wohnanlage des an den Rollstuhl gebundenen Erdgeschosseigentümers;[4]
  • Anspruch auf Einbau eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus;[5]
  • Anspruch auf Errichtung einer Rollstuhlrampe;[6]
  • Anspruch auf Einbau eines Treppensitzlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus, selbst wenn die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Mindestbreite hierdurch nicht mehr eingehalten werden kann.[7]

Soweit die Notwendigkeit an baulichen Einrichtungen besteht, behindertengerechten Zugang zu Sonder- und Gemeinschaftseigentum zu ermöglichen, sollte bei der gebotenen Abwägung zwischen den grundrechtlich geschützten Eigentümerrechten der übrigen Wohnungseigentümer aus Art. 14 GG und dem Verbot der Benachteiligung Behinderter aus Art. 3 Satz 2 GG schon früher stets den Belangen des Behinderten Vorrang eingeräumt werden. Dieser Anspruch folgt jetzt aus § 20 Abs. 2 WEG.

Ähnlich wie beim Anspruch des ausländischen Wohnungseigentümers, unter bestimmten Voraussetzungen eine Parabolantenne zum Empfang von Heimatsendern installieren zu dürfen, hat die GdWE einen Anspruch auf Mitwirkung bei der Frage des "Wie" der privilegierten Maßnahme. Soweit das Erfordernis etwa der Errichtung einer Rollstuhlrampe gegeben ist, hat z. B. der behinderte Wohnungseigentümer einen Anspruch gegen die Gemeinschaft auf Zustimmung oder Durchführung der entsprechenden baulichen Maßnahme. Grundsätzlich verbleibt der Gemeinschaft ein Mitspracherecht dahingehend, an welcher Stelle die Rollstuhlrampe errichtet wird. Insofern hat die GdWE das Recht, zwischen mehreren gebotenen Maßnahmen und dem Zeitpunkt deren Realisierung abzuwägen.[8]

[1] Vgl. BT-Drucks 19/18791 S. 63.
[2] Dötsch in Bärmann, WEG, 15. Aufl. 2023, § 20 Rn. 218.
[3] Vgl. Dötsch in Bärmann, WEG, 15. Aufl. § 20 Rn. 216.
[8] AG München, Urteil v. 9.8.2013, 481 C 21932/12, ZMR 2013 S. 1002; AG Hamburg-Altona, Urteil v. 25.11.2009, 303B C 23/09, ZMR 2010 S. 480.

4.4.4.2 Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG)

Dieser Erlaubnisanspruch bezieht sich auf Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge (vgl. insbesondere § 2 Nr. 1 EmoG) dienen.

 
Hinweis

Elektrisch betriebene Fahrzeuge

Hierzu zählen:

  • Reine Batterieelektrofahrzeuge,
  • von außen aufladbare Hybridelektrofahrzeuge,
  • Brennstoffzellenfahrzeuge,
  • elektrisch betriebene Zweiräder,
  • auch Elektromobile für Gehbehinderte, die nicht unter das EmoG fallen.

Es geht primär um die Errichtung eines Ladepunktes (Wallbox), einer Ladesäule nebst Verlegung der erforderlichen Stromkabel.

Dem Aufladen solcher E-Fahrzeuge dienen auch bauliche Veränderungen, die zur Umsetzung von Vorgaben des Mess...

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