Rz. 210

Der Personenkreis der Auszubildenden des Zweiten Bildungsweges (ZBW) (Nr. 10 HS 2) ist als krankenversicherungspflichtiger Personenkreis im SGB V neu hinzugekommen. Dieser Personenkreis war zuvor lediglich als beitrittsberechtigt zur freiwilligen Krankenversicherung genannt (§ 176 Abs. 1 Nr. 5 RVO). Dieser Personenkreis wurde jedoch erst so spät in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen (Beratungen des Ausschusses, BT-Drs. 11/3480 S. 49), dass nicht einmal mehr Zeit vorhanden war, für ihn eigenständige Regelungen zu schaffen, so dass man sich mit einer Beschreibung des Personenkreises und dem Hinweis im Gesetz begnügte, dass dieser Personenkreis den Praktikanten gleichgestellt sei. Solche besonderen Vorschriften wären an sich erforderlich, denn die Auszubildenden des ZBW weisen mit Personen in berufspraktischen Tätigkeiten oder betrieblicher Berufsausbildung keine Gemeinsamkeiten auf, sondern stehen als Schüler zu diesen im Gegensatz.

 

Rz. 211

Die Einführung der Versicherungspflicht für diesen Personenkreis beruht wohl maßgeblich auf der gewollten Beitragsbegünstigung dieses Personenkreises (Studentenbeitrag gemäß § 245 i. V. m. § 236) gegenüber dem Mindestbeitrag gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 für eine freiwillige Mitgliedschaft. Der Nähe zu den Studenten hätte es entsprochen, diesen Personenkreis den Studenten und nicht den "Beschäftigten" zuzuordnen. Im Verhältnis zu dem Personenkreis der Studenten fehlt es allerdings an einer altersmäßigen Begrenzung, wie dies für Studenten vorgesehen ist (vgl. Rz. 125 ff.), so dass die Versicherungspflicht trotz Vollendung des 30. Lebensjahres bestehen kann.

 

Rz. 212

Das Gesetz definiert den pflichtversicherten Personenkreis als "Auszubildende des Zweiten Bildungsweges, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnittes nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden". Damit wird nicht nur der überhaupt pflichtversicherte Personenkreis (Auszubildende des ZBW) bestimmt, sondern als zusätzliche Voraussetzung für die Krankenversicherungspflicht verlangt, dass diese sich in einem nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildungsabschnitt befinden.

 

Rz. 213

Für den Begriff des Zweiten Bildungsweges fehlt es an einer bundesgesetzlichen Definition im SGB V, BAföG oder anderen Gesetzen. Von einer Ausbildung im "zweiten" Bildungsweg spricht man in diesem Zusammenhang deswegen, weil der Schulabschluss nicht auf dem "normalen" (ersten) Bildungsweg über Realschule oder Gymnasium erworben wurde, sondern dieser, zumeist nach zwischenzeitlicher Berufsausbildung und/oder Berufstätigkeit, nachgeholt wird. Bei der Ausbildung im ZBW handelt es sich um schulische Ausbildungen allgemeinbildender Art, die einen mittleren Bildungsabschluss bzw. die Hochschulreife vermitteln und letztlich auf den Zugang zu einer Hochschule gerichtet sind (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.1995, 12 RK 38/94, SozR 3-2500 § 5 Nr. 23, sowie Klose, ZfS 1998 S. 257). Darauf beruht auch die besondere Erwähnung des ZBW für die Verlängerung der KVdS (vgl. Rz. 144 ff.). Nicht zum ZBW gehören daher Berufsschulen, Schulbesuche zum Zwecke der Berufsausbildung, Berufsfachschulen (BSG, Urteil v. 7.11.1995, 12 RK 38/94, SozR 3-2500 § 5 Nr. 23), Fachhochschulen der öffentlichen Verwaltung oder sonst der fachlichen Ausbildung dienende schulische Einrichtungen.

 

Rz. 214

Diese Schulausbildung mit dem Ziel höherer Bildungsabschlüsse wird in besonderen Schuleinrichtungen absolviert. Zu den typischen Ausbildungsstätten des ZBW gehören Abendrealschule und Abendgymnasium, Berufsaufbauschulen und Kollegs (staatliche Institute zur Erlangung der Hochschulreife). Der Besuch einer Abendhauptschule, wie er in der BT-Drs. 11/3480 S. 49 erwähnt wird, gehört richtigerweise nicht zum ZBW, da es sich um eine schulische Grundbildung handelt, ohne dass dadurch die Zugangsmöglichkeit zu einem besonderen berufsqualifizierenden Ausbildungsgang eröffnet würde. Typisches Merkmal auch für die Zugangsvoraussetzungen zu Ausbildungsstätten des ZBW ist daher eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine gleichgestellte vorherige Erwerbstätigkeit.

 

Rz. 215

Weitere sachliche Voraussetzungen der Krankenversicherungspflicht werden mit der Tatbestandsvoraussetzung genannt, dass die Auszubildenden des ZBW sich in einem förderungsfähigen Ausbildungsabschnitt nach dem BAföG befinden müssen. Förderungsfähig ist ein Ausbildungsabschnitt nach § 2 Abs. 5 BAföG, wenn der Ausbildungsabschnitt mindestens ein Schul- oder Studienhalbjahr dauert und die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Daher führt eine Ausbildung im ZBW nur dann zur Versicherungspflicht, wenn mindestens ein halbtägiger Unterricht stattfindet, weil nur dann die Arbeitskraft voll in Anspruch genommen wird. Der Besuch von Ausbildungsstätten des ZBW im Abendunterricht nimmt die Arbeitskraft nicht voll in Anspruch, so dass auch keine Förderungsfähigkeit vorliegt und dann auch keine Krankenversicherungspflicht besteht. Gerade der Abendunterricht lässt zumeist ...

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