Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Kausalität bei der Geltendmachung psychischer Störungen als Folge eines Unfallereignisses

 

Orientierungssatz

1. Nach § 56 Abs. 1 SGB 7 haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 % gemindert ist, Anspruch auf Versichertenrente.

2. Die unfallrechtliche Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung gilt auch für die besonders schwierige Zusammenhangsbeurteilung psychoreaktiver Störungen nach körperlichen bzw. seelischen Traumen.

3. Sowohl bei der Anpassungsstörung i. S. der ICD F-43.2 als auch bei der posttraumatischen Belastungsstörung i. S. der ICD 10 handelt es sich stets um eine vorübergehende psychiatrische Störung.

4. Macht der Versicherte erstmals nach mehr als zehn Jahren nach dem angeschuldigten Unfallereignis eine unfallbedingte psychische Störung geltend und gibt es bis dahin weder Brückensymptome noch irgendeine ärztliche Behandlungsnachfrage, so ist eine Gewährung von Versichertenrente ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann.

Die 1975 geborene Klägerin war Opfer dreier Banküberfälle mit Schusswaffenbedrohung in den Jahren 1992 und 1997.

Mit Bescheid vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin von November 2010 auf Gewährung von Rente wegen des Versicherungsfalls vom 18.07.1997 ab. Es habe eine vorübergehende Anpassungsstörung vorgelegen, die im Jahre 2000 weitgehend zurückgegangen sei. Der im Widerspruchsverfahren gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. habe u. a. dysfunktionale Verarbeitungsstrategien sowie persönlichkeitsstrukturelle und aktuelle konkurrierende Stressoren erwähnt.

Wegen dieser Entscheidung hatte die Klägerin am 24.10.2011 Klage erhoben. Sie behauptet im Wesentlichen, die bestehenden Unfallfolgen seien mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v.H. zu bewerten.

Mit Bescheid vom 07.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen des Versicherungsfalls vom 24.02.1997 ab. Die anfangs bestehende posttraumatische Belastungsstörung sei folgenlos ausgeheilt. Der Entscheidung lagen die Gutachten der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. H. und J. zugrunde.

Wegen dieser Entscheidung hat die Klägerin am 23.10.2013 Klage erhoben. Sie behauptet, im Wesentlichen, es läge unfallbedingt eine MdE von mindestens 20 v.H. vor.

Mit Beschluss vom 10.03.2014 hat das Sozialgericht die beiden Verfahren miteinander verbunden.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.07.1997 Rente nach einer MdE von mindestens 10 v.H. zu gewähren;

2. den Bescheid vom 17.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.02.1997 Rente nach einer MdE von mindestens 10 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. Sie hat zudem eine Stellungnahme ihrer beratenden Psychologin Dr. K. vom 14.10.2016 zu den Akten gereicht.

Das Gericht hat die Klägerin von Amts wegen von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. untersuchen und begutachten lassen. Wegen des Inhalts des Gutachtens vom 10.05.2015 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 08.12.2016 wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Auf Antrag der Klägerin im Rahmen von § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein Gutachten von dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie - spezielle Psychotraumatologie, Verkehrsgutachter - Sportmedizin, Notfallmedizin Dr. I. eingeholt. Wegen des Inhalts des Gutachtens vom 27.06.2016 wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Bescheide sind rechtmäßig.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Rente wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 18.07.1997 und 24.02.1997.

Nach § 56 Abs. 1 des 7. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist,...

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