Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Kostenentscheidung. Verteilung der außergerichtlichen Kosten bei Zuerkennung des beantragten Mindest-GdB

 

Orientierungssatz

Hat ein Kläger im sozialrechtlichen Streit um die Feststellung eines Grades der Behinderung die Zuerkennung eines GdB in Höhe eines Mindestwertes beantragt (hier: GdB von mindestens 50), so hat der Sozialleistungsträger schon dann die vollen außergerichtlichen Kosten zu tragen, wenn dem Kläger jedenfalls diese mindestens begehrte Feststellung zuerkannt wird. Dagegen kommt die Annahme eines lediglich teilweisen Obsiegens bereits bei Zuerkennung der mindestens begehrten Feststellung nicht mehr in Betracht.

 

Tenor

Die Beklagte hat die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin voll zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten im Rahmen einer Schwerbehindertenstreitigkeit.

Anerkannt war zu Gunsten der Klägerin mit Bescheid vom 13.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2013 ein GdB von 40.

Im Rahmen ihrer am 27.09.2013 erhobenen Klage beantragte die Klägerin, zu ihren Gunsten "einen Grad der Behinderung von mindestens 50 %" anzuerkennen.

Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweiserhebung durch Gutachten lag bei der Klägerin ein GdB von 50 vor. Im Ergebnis haben die Beteiligten sich auf Vorschlag des Gerichts auf einen GdB von 50 geeinigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Die Beklagte hat die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerseite voll zu tragen.

Vorliegend hat der Rechtsstreit erst auf Grundlage des Regelungsvorschlags des Gerichts vom 12.11.2014, dem beide Beteiligte zugestimmt haben, seine Erledigung gefunden. Den ursprünglichen Regelungsvorschlag der Beklagten vom 30.10.2014 hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.11.2014 zunächst abgelehnt. Die erst danach mit Klägerschriftsatz vom 12.11.2014 erfolgte Annahme des Beklagtenvorschlags ging damit ins Leere, ebenso wie die darin enthaltene Anerkennung der von der Beklagten zunächst vorgeschlagenen Kostenquote.

Maßgeblich ist im Ergebnis mithin nur der von beiden Beteiligten letztendlich angenommene gerichtliche Vorschlag, der unter Ziffer 2) eine Kostengrundentscheidung durch gesonderten Beschluss des Gerichts vorsieht. Bei dieser durch das Gericht zu treffenden Entscheidung ist die Kammer nicht an die Kostenvorstellungen der Beteiligten gebunden.

Es entspricht zur Überzeugung der Kammer der Billigkeit, der Beklagten die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach entscheidet das Gericht durch Beschluss, wenn das Verfahren wie hier anders als durch Urteil beendet wird, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben.

Die Kostenentscheidung des Gerichts ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen. Zu berücksichtigen sind dabei alle Umstände des Einzelfalls. Neben dem Ausmaß des tatsächlichen oder mutmaßlichen Obsiegens kann auch von Bedeutung sein, ob einer oder mehrere Beteiligte anderen durch ihr prozessuales oder vorprozessuales Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 17.02.2004, Az.: L 16 B 103/03 KR).

Die erkennende Kammer teilt die von der Beklagten vertretene Auffassung zur kostenrechtlichen Beurteilung von Klageanträgen, die auf die Gewährung eines "Mindest-GdB" oder eines GdB "höher als" gerichtet sind, ausdrücklich nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein behinderter Mensch nach Anhebung des GdB auf den von ihm genannten Mindestwert nicht mehr beschwert (BSG, Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 7/94 -). Die Konstellation liege nicht anders als im Zivilrecht bei einem auf eine Mindestsumme gerichteten Antrag auf Schmerzensgeld. Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt sich die erkennende Kammer an. Ist der Kläger in dieser Sachverhaltskonstellation aber "nicht mehr beschwert", so kann dies nur bedeuten, dass er mit seinem Klagebegehren voll durchgedrungen ist. Somit fehlt es an einem auch nur teilweisen Unterliegen des Klägers. Zumindest unter dem Gesichtpunkt des Ausmaßes des tatsächlichen Obsiegens bzw. Unterliegens kann dem Kläger nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der hier streitigen Konstellation kein Kostenanteil auferlegt werden.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass auch im Zivilrecht eine bei Schmerzensgeldansprüchen ausnahmsweise zulässige unbezifferte Klage nicht dazu führen dürfe, dem Kläger das Kostenrisiko grundsätzlich abzunehmen (vgl. OLG München, Urteil vom 13.03.1984 - 5 U 3797/83 -). Der Kläger müsse - so das OLG München (a.a.O.) - wenigstens die ungefähre Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs darlegen. Diese Voraussetzung ist vorliegend aber gegeben. Die For...

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