Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für einen Grundsicherungsberechtigten

 

Orientierungssatz

1. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Angemessen sind sie, wenn sie eine durch ein schlüssiges Konzept ermittelte abstrakte Angemessenheitsobergrenze nicht überschreiten bzw. die Werte der Wohngeldtabelle nebst Sicherheitszuschlag nicht überschreiten.

2. Die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 wird durch das Regelungssystem der §§ 22a bis 22c SGB 2 gesetzlich begrenzt.

3. Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarktes.

4. Die allein aus dem SGB 2-Bezug gewonnenen Daten sind nicht repräsentativ für den gesamten Wohnungsmarkt.

5. Hat der Grundsicherungsträger eine schlüssige angemessene Miete nicht ermittelt, so sind zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG nebst Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % i. S. einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheids vom 05.01.2018 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung höherer Unterkunftskosten bei der Bewilligung seiner Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Konzept der Stadt L zu den angemessenen Unterkunftskosten schlüssig ist.

Der am 00.00.1970 geborene Kläger bewohnt eine 50 m² große Wohnung auf der Hstr. 00 in 0000 L. Die Kaltmiete beträgt seit Mai 2016 298,50 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 90,37 EUR und die Heizkostenvorauszahlung 51,51 EUR monatlich. Ab Oktober 2016 beträgt die Betriebskostenvorauszahlung 110,00 EUR monatlich.

Der Kläger stand im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 01.07.2014 und 29.08.2014 zur Kostensenkung auf, da die Kaltmiete unangemessen hoch sei.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 31.10.2016 in Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2016 vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017. Er berücksichtigte eine Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR. Betriebs- und Heizkosten berücksichtigte er in tatsächlicher Höhe.

Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 24.11.2016 Widerspruch. Es seien die tatsächlichen Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Das Konzept des Beklagten zur Berechnung der angemessenen Unterkunftskosten sei nicht schlüssig.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2017 zurück. Das Konzept des Beklagten genüge den Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) an ein schlüssiges Konzept.

Dagegen hat der Kläger am 02.03.2016 Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 05.01.2018 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017 endgültig fest. Die Unterkunftskosten wurden wie bisher berücksichtigt.

Der Kläger trägt vor, das Konzept des Beklagten sei nicht rechtzeitig fortgeschrieben worden. Die nunmehrige Aktualisierung genüge auch nicht den Anforderungen. Es bestünden Zweifel an der Unabhängigkeit des beauftragten Unternehmens. Die Datenbasis sei unzureichend. Es sei nicht berücksichtigt, dass es seit 2015 durch Migration zu einer Verknappung des Wohnraums gekommen sei. Es sei daher die Wohngeldtabelle anzuwenden, die zur Berücksichtigung höherer Unterkunftskosten führe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 05.01.2018 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom Dezember 2016 bis Mai 2017 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass das Konzept schlüssig sei. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Kaltmiete beruhe auf einem zutreffenden Angebotsmietenkonzept. Auf eine Auswertung der Bestandsmieten sei verzichtet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Gerichtskate zum Verfahren S 29 AS 4623/16 und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 05.01.2018 im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid vom 05.01.2018 hat die Leistungen endgültig festgesetzt und damit die vorhergehende vorläufige Bewilligung ersetzt. Er ist gem. § 96 SGG Gegenstand des laufenden Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 05.01.2018 ist teilweise rechtswidrig. Der Kläger hat für den Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai ...

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