Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Aufwendungsersatz des Arbeitgebers. Fahrkostenpauschale für beschäftigten Gärtner für die Fahrten zur Entsorgung von Grünabfällen

 

Orientierungssatz

Eine vom Arbeitgeber gezahlte Fahrkostenpauschale ist als Aufwendungsersatz gem § 670 BGB kein Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.

 

Tenor

Der Bescheid vom 15. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Mit Bescheid vom 23. Januar 2014 wurden dem Kläger Leistungen für April 2014 ohne Anrechnung von Einkommen bewilligt. Zum 01. April 2014 nahm der Kläger eine Nebentätigkeit auf. Laut Arbeitsvertrag hatte er gärtnerische Tätigkeiten an einer Immobilie zu verrichten sowie die Anlage von Unrat und Unkraut zu befreien. Die Arbeitszeit wurde auf ca. 10 Stunden monatlich festgelegt. Die Entlohnung betrug 100,00 EUR monatlich. Dazu erhielt der Kläger eine Fahrtkostenpauschale von 25,00 EUR monatlich für die Entsorgung von Grünabfällen. Am 15. April 2014 ging eine Zahlung des Arbeitgebers von 125,00 EUR auf dem Konto des Klägers ein.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2014 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für April 2014 in Höhe von 16,88 EUR gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) auf und forderte diesen Betrag zurück. Der Kläger habe nach der Leistungsbewilligung Einkommen erzielt, das seine Leistungen mindere.

Daraufhin hat der Kläger am 23. Mai 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei der Fahrtkostenerstattung handele es sich nicht um anzurechnendes Einkommen, sondern um Erstattung von geleisteten bzw. vorfinanzierten Aufwendungen (Benzinkosten), die bei ihm in voller Höhe anfielen. Je nach Monat entsorge er vier bis fünf Mal Grünabfälle auf einem Wertstoffhof. Die Fahrtstrecke hin- und zurück betrage 17,4 Kilometer.

Inzwischen hat der Beklagte die Klage auch als Widerspruch aufgefasst und mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2015 zurückgewiesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er stützt sich auf das Urteil des BSG vom 30. September 2008 (B 4 AS 29/07 R), dass Einkommen im Sinne des SGB II alles sei, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhalte. Insoweit stelle auch die pauschale Abgeltung von Benzinkosten, die im Rahmen einer Tätigkeit anfallen könnten, Einkommen dar. Die Fahrtkosten würden hier vom Arbeitgeber ohne konkreten Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen erbracht und würden auch gezahlt, wenn der Kläger weniger oder auch gar keine Fahrten im betreffenden Monat durchführe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die mit Erlass des Widerspruchsbescheides zulässig gewordene Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Zu Unrecht hat der Beklagte die Leistungsbewilligung teilweise aufgehoben und Leistungen zurückgefordert.

Als Grundlage für die Entscheidung der Beklagten kommt allein § 48 SGB X in Betracht. Danach können Verwaltungsakte bei einer wesentlichen Änderung teilweise aufgehoben werden. Hier scheitert die Leistungsaufhebung bereits daran, dass keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Trotz der Nebentätigkeit liegt kein auf den Bedarf anrechenbares Einkommen vor.

§ 9 SGB II bestimmt zwar, dass Hilfebedürftigkeit nur insoweit besteht, wie der Lebensunterhalt nicht ausreichend durch zu berücksichtigendes Einkommen gesichert werden kann. Das Entgelt des Klägers von 100,- EUR ist jedoch gemäß § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II anrechnungsfrei.

Bezüglich der Fahrtkostenpauschale ist dem Beklagten zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert sind und demnach unter Berücksichtigung von Freibeträgen auf den Hilfebedarf anzurechnen sind und die Leistungshöhe demnach gemindert wird.

Zur Rechtsauffassung der Kammer stellen die dem Kläger vom Arbeitgeber gezahlten Fahrtkosten jedoch schon keine Einnahme dar (ähnlich Urteile Sozialgericht Schwerin S 15 AS 1947/13 und Sozialgericht Detmold S 18 AS 871/12, die kein Einkommen annehmen, a.A. Urteil Sozialgericht Nordhausen S 13 AS 1351/14). Denn die Fahrtkosten-pauschale bewirkt kein Mehr an zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln, sondern gleicht nur vom Arbeitgeber veranlasste Unkosten beim Kläger gemäß § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus.

Zwar ist hier die Fahrtkostenerstattung pauschal geregelt. Die Höhe lässt jedoch erkennen, dass es sich n...

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