Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung einer Aufwandspauschale als Einkommen auf den Grundsicherungsanspruch des Hilfebedürftigen

 

Orientierungssatz

1. Der Zufluss nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 anrechenbaren Einkommens mindert gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10 den Anspruch des Hilfebedürftigen auf Leistungen der Grundsicherung.

2. Aufwandspauschalen, die nicht nach einem individuell festgestellten Bedarf bemessen sind und nicht anhand von Einzelbelegen des Arbeitnehmers nachvollzogen werden können, stellen im Gegensatz zu Aufwandsentschädigungen Arbeitsentgelt dar.

3. Eine vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer neben dem Arbeitsentgelt gezahlte Pauschale für Fahrkosten zur Entsorgung von Gartenabfällen ist als Einkommen zu berücksichtigen, weil sie bei dem Arbeitnehmer bei Auszahlung zu einem wertmäßigen Zuwachs führt, über den er verfügen kann.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 5, § 11b Abs. 1 Nr. 5, § 7 Abs. 1, § 19 Abs. 3 S. 2; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 14; BGB § 670

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.04.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids.

Der am 00.00.1959 geborene Kläger bezieht seit dem Jahr 2007 Alg II. Mit Bescheid vom 27.09.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16.12.2013 und 23.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II für den Zeitraum 01.11.2013 bis 30.04.2014, u.a. für April 2014 i.H.v. von 824,87 Euro (382,00 Euro Regelbedarf zzgl. 8,79 Euro Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II und 424,88 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung).

Mit Bescheid vom 25.03.2014 hob der Beklagte die Bewilligung für den Monat April 2014 i.H.v. 9,00 Euro auf und forderte 9,00 Euro zu viel gezahlter Unterkunftskosten zurück. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Am 01.04.2014 schloss der Kläger einen Anstellungsvertrag für geringfügig Beschäftigte mit der X P-Straße 00 ab. Der Kläger übernahm eine Gärtnertätigkeit bei der X P-Straße 00, vereinbart war eine Vergütung in Höhe von 100,00 Euro pro Monat, die jeweils am 15. des Monats fällig und überwiesen werde. Zusätzlich war eine Fahrtkostenpauschale von 25,00 Euro monatlich für die Entsorgung von Grünabfällen vereinbart. Die Gehaltsabrechnung für den Monat April 2014 wies als Aushilfslohn einen Betrag von 100,00 Euro abzüglich 3,9 % Eigenanteil von 3,90 Euro und somit einen Auszahlungsbetrag von 96,10 Euro aus. Am 15.04.2014 wurde dem Kläger ein Betrag von 125,00 Euro auf seinem Konto gutgeschrieben.

Mit Schreiben vom 07.05.2014 hörte der Beklagte den Kläger zu einer möglichen Überzahlung für den Monat April 2014 an. Aus der Lohnabrechnung ergebe sich, dass der Kläger im Monat April 96,10 Euro verdient habe, zuzüglich der 25,00 Euro Fahrtkostenpauschale. Der Gesamtverdienst belaufe sich damit auf 121,10 Euro. Dieser sei unter Berücksichtigung des Freibetrages anzurechnen. Vor diesem Hintergrund ergebe sich für den Monat April 2014 eine Überzahlung in Höhe von 16,88 Euro.

Mit Bescheid vom 15.05.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 27.09.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.11.2013, 16.12.2013 und 23.01.2014 teilweise für den Monat April 2014 in Höhe von 16,88 Euro unter Berufung auf §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 3 SGB III, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X auf und forderte einen Betrag von 16,88 Euro zurück. Der Kläger habe einen Verdienst von 121,10 Euro gehabt, der nach Berücksichtigung der Freibeträge anzurechnen sei.

Der Kläger hat am 23.05.2014 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Bei der Fahrtkostenerstattung handele es sich nicht um anrechenbares Einkommen, sondern um vorfinanzierte Aufwendungen für Benzinkosten. Die Anrechnung im Bewilligungsbescheid vom 25.03.2014 und im Festsetzungsbescheid vom 15.05.2014 sei zu Unrecht erfolgt.

Nach Hinweis des Sozialgerichts hat der Beklagte die Klageerhebung vom 23.05.2014 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.05.2014 gewertet und am 16.06.2015 einen Widerspruchsbescheid erlassen.

Mit Urteil vom 04.04.2016 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2015 aufgehoben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid rechtswidrig sei. Der Beklagte habe zu Unrecht die Fahrtkostenpauschale als Einkommen berücksichtigt. Die Fahrtkostenpauschale bewirke kein Mehr an zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln, sondern gleiche nur vom Arbeitgeber veranlasste Unkosten beim Kläger gemäß § 670 BGB aus. Zwar sei die Fahrtkostenerstattung pauschal geregelt. Die Höhe lasse jedoch erkennen, dass es sich nicht um ein verstecktes Entgelt handele, sondern sich an den dem Kläger entstehenden Kosten orientiere. Bei 4,5 Fahrten im Monat zur Entsorgung der Grünabfälle bei einer Strecke von 17,4 km ...

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