Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitreibung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen eines freiwillig Versicherten bei Insolvenzverfahren des Arbeitgebers des Beitragspflichtigen. Einzugsermächtigung des Beitragspflichtigen

 

Orientierungssatz

1. Nach § 250 Abs. 2 SGB 5 tragen freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung den Krankenversicherungsbeitrag allein. Gleiches gilt für den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung nach § 60 Abs. 4 SGB 11.

2. Hat die Krankenkasse zu einem Zeitpunkt eine Beitragsabbuchung vom Konto des Arbeitgebers des freiwillig versicherten Arbeitnehmers nach erteilter Abbuchungsermächtigung zu einem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem der Arbeitgeber bereits zahlungsunfähig war und war ihr dies bekannt, so kann der Insolvenzverwalter nach § 130 Abs. 1 S. 1 InsO die Beitragsabbuchung anfechten.

3. Durch die erfolgreiche Anfechtung gegen die Krankenkasse lebt die Forderung der Krankenkasse gegen den Leistungsschuldner wieder auf, mit der Folge, dass die Krankenkasse ihre Beitragsforderung gegen den freiwillig krankenversicherten Arbeitnehmer als Beitragsschuldner beitreiben kann.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt drei Fünftel der erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Klageverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger war in der Zeit vom 15.09.2010 bis 31.07.2011 als Arbeitnehmer bei der Firma F B GmbH freiwilliges Mitglied der Beklagten. Weitere Arbeitnehmer dieser Firma waren bei der Beklagten nicht freiwillig krankenversichert. Der Kläger und seine Arbeitgeberin hatten sich darauf verständigt, dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammen mit den Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen vom Nettoarbeitsentgelt des Klägers abgezogen und direkt an die Beklagte überwiesen werden sollten. Zu diesem Zweck hatte die Arbeitgeberin der Beklagten eine Einzugsermächtigung erteilt.

Zwischen Januar 2010 und Mai 2011 kam es insgesamt elf Mal zu Rückbuchungen von Zahlungen, die die Beklagte vom Konto der F B GmbH abgebucht hatte.

Am 28.04.2011 buchte die Beklagte vom Konto der F B GmbH einen Betrag in Höhe von 13.756,38 EUR ab. Als Verwendungszweck wurde dabei "Beiträge 03/2011 bis 04/2011" angegeben.

Am 16.05.2011 erfolgte eine Abbuchung in Höhe von 647,83 EUR unter dem Verwendungszweck "Beiträge 04/2011", die jedoch wieder zurückgebucht wurde.

Mit einem Schreiben vom 17.06.2011 beantragte die F B GmbH beim Amtsgericht Hannover die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Mit einem Beschluss vom 07.10.2011 eröffnete das Amtsgericht Hannover über das Vermögen der F B GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt T zum Insolvenzverwalter.

Die Beiträge für den Monat März 2011 hatte die Insolvenzschuldnerin (unstreitig) an die Beklagte abgeführt. Ob auch der Beitrag für den April 2011 an die Beklagte entrichtet wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Beiträge für die Monate Mai bis Juli 2011 zahlte der Kläger direkt an die Beklagte.

Mit einem Schreiben vom 15.12.2014 focht der Insolvenzverwalter T die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte vom 28.04.2011 in Höhe von 13.756,38 EUR an und forderte die Rückzahlung dieses Betrages gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO). Zur Begründung führte der Insolvenzverwalter aus, dass die Beklagte angesichts der zahlreichen Lastschriftrückgaben durch die Insolvenzschuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt haben müsse. Nach ständiger Rechtsprechung stelle die Rückgabe von Lastschriften ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar (Bundesgerichtshof [BGH] Urteil vom 01.07.2010 - IX ZR 70/08 -).

Die Beklagte teilte dem Insolvenzverwalter mit einem Schreiben vom 16.12.2014 mit, dass sie den Betrag in Höhe 13.756,38 EUR nebst Zinsen in den nächsten Tagen erstatten werde. Diesen Betrag erhielt der Insolvenzverwalter dann am 19.12.2014.

Am 13.01.2015 meldete die Beklagte nach erfolgter Anfechtung eine Forderung in Höhe von 12.460,72 EUR zur Insolvenztabelle an.

Mit einem Bescheid vom 29.12.2014 forderte die Beklagte vom Kläger die Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum von März bis Juli 2011 in Höhe von 3.285,60 EUR.

Der Kläger legte dagegen sinngemäß Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er die Beiträge für den Juni und Juli 2011 bereits beglichen habe. Unter Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Dresden vom 12.02.2014 (S 25 KR 485/12) vertrat er die Ansicht, dass die Beitragsschuld für den Zeitraum von März bis Mai 2011 als erfüllt gelte. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter berühre die Erfüllungswirkung nicht mehr.

Die Beklagte zog die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den März und April 2011 in Höhe von 1.295,6...

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