I. Persönlicher Anwendungsbereich

1. Rechtsanwalt

 

Rz. 5

Die Gebührentatbestände der VV 6100, 6101, 6102 gelten grundsätzlich nur für den Rechtsanwalt. Nach § 40 Abs. 3 IRG i.V.m. § 138 StPO kann auch ein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Beistand gewählt werden. Für dessen Vergütung gelten die VV 6100, 6101, 6102 nicht, sondern § 612 BGB. Die Geltung der Vorschriften der VV 6100, 6101, 6102 kann jedoch entsprechend vereinbart werden (§ 1 Rdn 110).

2. Gerichtlicher bestellter Beistand

 

Rz. 6

Für den gerichtlich bestellten Anwalt gelten jeweils die hier vorgesehenen Festgebühren. Sowohl das IRG als auch das IStGH-Gesetz sehen an zahlreichen Stellen die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand vor (vgl. §§ 31 Abs. 2 S. 3, 33 Abs. 3, 36 Abs. 2 S. 2, 40 Abs. 2, 45 Abs. 6, 52 Abs. 2 S. 2, 53 Abs. 2, 56 und 71 Abs. 4 S. 5 IRG, §§ 31 Abs. 2, 37 Abs. 6, 46 Abs. 4 IStGH-Gesetz). Insoweit kann der Anwalt auch den Vertretenen unter den Voraussetzungen des § 52 in Anspruch nehmen.

3. Keine Beiordnung im Wege der PKH

 

Rz. 7

Die gerichtliche Beiordnung eines Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe ist allerdings nicht möglich. Eine Inanspruchnahme des Vertretenen gem. § 53 kommt daher nicht in Betracht.[2]

[2] OLG Hamm NStZ-RR 2002, 159.

4. Zeugenbeistand

 

Rz. 8

Die VV 6100 ff. gelten wegen VV Vorb. 6 Abs. 1 grundsätzlich auch für einen Zeugenbeistand, der für die richterliche Vernehmung eines Zeugen aufgrund eines auswärtigen Rechtshilfeersuchens bestellt worden ist. Wird aber wie in Strafsachen für den gem. § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistand davon ausgegangen, dass nur eine Einzeltätigkeit vorliegt, wird statt VV 6100 ff. VV 6500 angewandt werden müssen.[3]

[3] Wegen VV 6500 keine Anwendung von VV 4301 Nr. 4 (mehr) erforderlich, deshalb ist KG AGS 2008, 130 m. Anm. Volpert = RVGreport 2008, 227 überholt.

II. Sachlicher Anwendungsbereich

1. Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen – behördliches Verwaltungsverfahren (VV 6100)

 

Rz. 9

In den Verfahren über die Betreibung ausländischer Geldsanktionen findet zunächst ein behördliches Verfahren vor dem Bundesamt für Justiz statt. In diesen Verfahren entsteht die gesonderte Verfahrensgebühr nach VV 6100.

 

Rz. 10

Weitere Gebühren im Verfahren vor der Behörde entstehen nicht. Insbesondere ist hier – im Gegensatz zu Straf- und Bußgeldsachen – eine Terminsgebühr nicht möglich.

 

Rz. 11

Auch eine Grundgebühr ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen.

2. Gerichtliche Verfahren nach dem IRG

 

Rz. 12

Zu den von VV 6101 und 6102 erfassten gerichtlichen Verfahren nach dem IRG zählen:

Verfahren auf Auslieferung eines Ausländers an die Behörde eines ausländischen Staates zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung (§§ 2 bis 42 IRG);
Verfahren über die Durchlieferung eines Ausländers durch die Bundesrepublik Deutschland (§§ 43 bis 47 IRG);
Verfahren über die Rechtshilfe durch Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse (§§ 48 bis 58 IRG);
Verfahren über die sonstige Rechtshilfe (§§ 49 bis 67a IRG);
Verfahren über ausgehende Ersuchen (§§ 68 bis 72 IRG).

Die Verfahrensgebühr VV 6100 kann hier nicht entstehen.[4]

 

Rz. 13

VV 6101 und 6102 gelten auch für das gerichtliche Verfahren betreffend die Bewilligung der Vollstreckung europäischer Geldsanktionen (§§ 87 ff. IRG). Zu einem gerichtlichen Verfahren kann es hier nach dem Einspruch des Betroffenen gegen die Bewilligung der Vollstreckung durch das Bundesamt für Justiz (§ 87h IRG) oder aufgrund eines Antrags des Bundesamts für Justiz nach § 87i IRG kommen. Im behördlichen Verfahren vor dem Bundesamt für Justiz entsteht die Verfahrensgebühr VV 6100.[5]

[4] OLG Dresden 1.12.2017 – OLGAusl 111/16, RVGreport 2018, 62.
[5] So auch Klüsener, JurBüro 2018, 505.

3. Gerichtliche Verfahren nach dem IStGH-Gesetz

 

Rz. 14

Zu den Verfahren des IStGH-Gesetzes, die von VV 6101 und 6102 erfasst werden, zählen:

Verfahren zur Überstellung von Personen an den Internationalen Strafgerichtshof zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung (§§ 2 bis 33 IStGH-Gesetz);
Verfahren zur Durchbeförderung von Personen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung durch das Bundesgebiet (§§ 34 bis 39 IStGH-Gesetz);
Verfahren über die Rechtshilfe durch Vollstreckung von Entscheidungen und Anordnungen des Gerichtshofes (§§ 40 bis 46 IStGH-Gesetz);
Verfahren über die sonstige Rechtshilfe (§§ 47 bis 63 IStGH-Gesetz);
Verfahren über ausgehende Ersuchen (§§ 64 bis 67 IStGH-Gesetz).

III. Verfahren mit Ausnahme der Verfahren über die Bewilligung der Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen

1. Verfahrensgebühr (VV 6101)

a) Entstehung und Abgeltungsbereich

 

Rz. 15

Die Verfahrensgebühr nach VV 6101 entsteht gem. VV Vorb. 6 Abs. 2 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Gebühr entsteht also bereits mit der ersten Tätigkeit, in der Regel mit der Aufnahme der Information.

 

Rz. 16

Abgegolten durch die Verfahrensgebühr werden sämtliche Tätigkeiten in den Verfahren nach dem IRG und dem IStGH-Gesetz, ausgenommen die Wahrnehmung von Terminen, die nach VV 6102 vergütet wird. Voraussetzung ist auch hier, dass der Anwalt als Gesamtvertreter beauftragt ist. Für Einzeltätigkeiten gilt VV 6500.

 

Rz. 17

Zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr zählen daher neben der Entgegennahme der Information und der Beratung des Mandanten insbesondere die Akteneinsicht, die Korrespondenz mit dem Mandanten oder mit Dritten, Besprechungen mit den Beteiligten, außergerichtliche Termine, Beschwerdeverfahren, für die es in VV Teil 6 ebenfalls keine gesonderten Regelungen gibt. Auch die Einlegung von Re...

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