Rz. 105

Ob das RVG auf Hochschullehrer anwendbar ist, wenn diese forensisch tätig werden, war unter Geltung des RBerG (bis 30.6.2008) umstritten. Vorrangig war hier die Frage, ob die Übernahme von Prozessvertretungen durch Hochschullehrer vom Erlaubniszwang des Art. 1 § 1 RBerG freigestellt ist. Wurde das bejaht, war das RVG schon wegen § 134 BGB unanwendbar. Hiergegen sprach aber, dass einige Prozessordnungen ausdrücklich davon ausgehen, dass Hochschullehrer Mandanten gerichtlich vertreten (§ 138 StPO, § 67 Abs. 1 VwGO, § 22 Abs. 1 BVerfGG, § 392 Abs. 1 AO). Daraus folgte, dass die Vertretungstätigkeit des Hochschullehrers derjenigen des Rechtsanwalts gleichgestellt werden sollte, sodass sie vom Erlaubniszwang nach Art. 1 § 1 RBerG auszunehmen war.[168] Insofern stand also jedenfalls § 134 BGB einer Abrechnung nach dem RVG nicht entgegen.

 

Rz. 106

Dennoch sprach bereits unter Geltung des RBerG der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 gegen eine Anwendung auf Hochschullehrer.[169] Zudem zeigte gerade die Ausdehnung des Anwendungsbereichs durch Art. 10 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften, dass der Gesetzgeber gesehen hat, dass noch andere Berufsgruppen als Rechtsanwälte forensisch tätig sind. Und obwohl das Auftreten von Hochschullehrern vor Gericht ausdrücklich vorgesehen ist, ist das RVG auf diese gerade nicht für anwendbar erklärt worden.

 

Rz. 107

Hochschullehrer sind auch keine registrierten Erlaubnisinhaber nach § 1 RDGEG (Rechtslage ab 1.7.2008). Der Wortlaut von § 1 Abs. 1 spricht somit weiterhin gegen eine Anwendung des RVG.[170]

 

Rz. 108

Hochschullehrer können aber die Anwendung des RVG für ihre Tätigkeit mit dem Mandanten vereinbaren. Praktisch dürfte die Frage, inwieweit Professoren gegenüber ihren Mandanten nach dem RVG abrechnen können, nur eine geringe Rolle spielen, weil in aller Regel hinsichtlich der Vergütung eine vertragliche Vereinbarung getroffen wird. Das Problem stellt sich daher in erster Linie im Erstattungsverfahren, wenn die obsiegende Partei die Auslagen für ihren Prozessbevollmächtigten nach dem RVG berechnen möchte. Hier spricht gegen die Anwendung des RVG, dass durch die anwaltliche Vergütung auch die allgemeinen Bürokosten des Rechtsanwalts abgegolten werden, die ein Hochschullehrer jedoch nicht oder nicht in diesem Umfang hat. Denn er unterhält keine eigene Kanzlei.[171]

 

Rz. 109

Das RVG ist jedoch ein anerkannter Maßstab zur Bemessung des Wertes der Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter. Griffe man nicht auf das RVG zurück, stellte sich unweigerlich die Frage, wie denn ein eventueller Abschlag für die Tätigkeit von Hochschullehrern zu bemessen sein sollte. Es ist auch nicht ersichtlich, warum eine obsiegende Partei, die einen Hochschullehrer mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hatte, einen geringeren Erstattungsbetrag erhalten sollte als eine solche, für die ein Rechtsanwalt aufgetreten war.[172]

 

Rz. 110

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bei fehlender Vereinbarung die Vergütung nach dem RVG als übliche Vergütung i.S.d. § 612 Abs. 2 BGB gilt.[173] Wird daher z.B. entsprechend § 138 Abs. 1 StPO ein Hochschullehrer als Verteidiger gewählt, sind dem freigesprochenen Angeklagten die Gebühren und Auslagen des Hochschullehrers bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts als notwendige Auslagen zu erstatten.[174] Das setzt allerdings voraus, dass der Freigesprochene im Innenverhältnis zumindest in dieser Höhe eine Vergütung schuldet.[175]

[168] BVerwG NJW 1988, 220; Kleine/Cosack, BRAO, 4. Aufl. 2003, § 4 Rn 2; Henssler/Prütting/Henssler, § 4 BRAO Rn 20.
[169] OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 247, sinngemäße Anwendung der BRAGO; Mußgnug, NJW 1989, 2037, 2039 zur BRAGO; VG München NJW 1989, 314.
[170] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 13.
[171] OVG Münster NJW 1976, 1333 zum Hochschullehrer, der sich selbst vertritt; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 13.
[172] Mußgnug, NJW 1989, 2037, 2040.
[173] Vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1996, 99; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 247; OLG München JurBüro 2002, 201; LG Göttingen NdsRpfl. 1991, 302; vgl. auch VGH Rheinland-Pfalz 27.10.2017 – VGH N 2/15: § 37 gilt wegen § 15 Abs. 1 Nr. 2 VerfGHG RP entsprechend für Hochschullehrer.
[174] OLG Düsseldorf NStZ 1996, 99; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 247; Meyer-Goßner, § 464a Rn 7.
[175] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 16.

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