Rz. 69

Strittig ist ferner, ob eine volle 1,6-Verfahrensgebühr dann erstattungsfähig ist, wenn nach Begründung die Zurückweisung der Berufung beantragt wird oder der Anwalt des Berufungsklägers einen Schriftsatz mit Sachvortrag einreicht, das Gericht aber bereits gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen hatte, dass es beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen.

 

Rz. 70

Nach einem Teil der Rechtsprechung[42] ist in diesem Falle ein Zurückweisungsantrag und auch ein Sachvortrag nicht erforderlich, sodass nur eine 1,1-Verfahrensgebühr erstattungsfähig sei. Die Auffassung des OLG Celle,[43] dass die 1,6-Verfahrensgebühr jedenfalls dann nicht erstattungsfähig sei, wenn der Zurückweisungsantrag vor Eingang des Hinweisbeschlusses gestellt worden ist, war schon angesichts der Rechtsprechung des BGH (siehe Rdn 68) nicht mehr haltbar, was der BGH auch bestätigt hat.[44] Der BGH hat in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, dass bei einem Hinweis des Berufungsgerichts unter Bezugnahme auf § 522 Abs. 1 ZPO auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung, der auch dem Berufungsbeklagten zur Kenntnis gebracht wird, dieser regelmäßig keine Veranlassung hat, innerhalb der mit dem Hinweis verbundenen Stellungnahmefrist kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen.[45] Etwas anderes gilt jedoch zumindest dann, wenn der Berufungskläger gegen den Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO Einwände erhoben hat.[46]

 

Rz. 71

Noch strenger wird dies für den Beitritt eines Nebenintervenienten gesehen. Kündigt das Berufungsgericht bereits eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO an, soll der Nebenintervenient, der erst danach beitritt, seine Rechtsanwaltskosten nur insoweit erstattet verlangen können, als ein über das Kosteninteresse hinausgehender Sachgrund ersichtlich ist, den Berufungsbeklagten jetzt noch zu unterstützen.[47]

 

Rz. 72

Nach a.A. ist dagegen die volle 1,6-Verfahrensgebühr zu erstatten, wenn der Zurückweisungsantrag noch gestellt oder ein Schriftsatz mit Sachvortrag eingereicht wird.[48] Dies ist auch richtig. Allein, dass das Gericht darauf hinweist, es sei beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, entbindet den Anwalt des Berufungsbeklagten nicht, die Sach- und Rechtslage zu prüfen und gegebenenfalls ergänzend Stellung zu nehmen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Berufungskläger noch die Möglichkeit hat, zu dem Hinweisbeschluss Stellung zu nehmen und Aspekte vorzutragen, die das Gericht bewegen könnten von seiner Rechtsauffassung abzurücken. Dann muss es aber dem Berufungsbeklagten zugebilligt werden, dass er ebenfalls Stellung nimmt und gegebenenfalls noch weitere Argumente für eine Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO vorträgt.

 

Rz. 73

So wird jedenfalls für den Fall, dass dem Berufungsbeklagten gleichzeitig eine Frist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung gesetzt worden ist, die volle Verfahrensgebühr als erstattungsfähig angesehen.[49]

 

Rz. 74

Unstrittig ist wiederum der Fall, dass das Gericht erst nach Berufungserwiderung ankündigt, nach § 522 ZPO vorgehen zu wollen.[50] In diesem Fall ist die volle 1,6-Verfahrensgebühr zu erstatten.

[42] OLG Koblenz AGS 2007, 274; OLG Celle OLGR 2008, 421.
[43] OLGR 2008, 421.
[45] BGH 10.11.2009 – VIII ZB 60/09, AGS 2010, 50 = NJW-Spezial 2010, 59; Thür. OLG 23.2.2016 – 1 W 84/16.
[47] OLG Koblenz AGS 2007, 276 = JurBüro 2007, 261.
[48] OLG Koblenz AGS 2007, 482 u. 590 = JurBüro 2007, 89.
[49] OLG Celle OLGR 2008, 419.
[50] OLG Celle OLGR 2008, 419.

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