Rz. 20

Ob der Ermäßigungstatbestand von VV 3105 auch auf ein zweites Versäumnisurteil Anwendung findet, wenn derselbe Prozessbevollmächtigte bereits den Verhandlungstermin wahrgenommen hat, in welchem das erste Versäumnisurteil erwirkt wurde, war umstritten.

Nach einer Ansicht[21] ist im Wortlaut von VV 3105 das Wort "eines" nicht als Zahlwort, sondern als qualitative Beschreibung des Inhalts des Termins ("in dem eine Partei nicht erschienen ...") zu verstehen. Damit fiele auch für die Wahrnehmung des zweiten Säumnistermins nur die reduzierte Gebühr aus VV 3105 an, weil nicht auf die Anzahl der Termine, sondern auf den reduzierten Arbeitsaufwand im Termin abzustellen ist. Die herrschende Meinung,[22] der sich auch der BGH angeschlossen hat,[23] sieht dagegen die gesetzliche Formulierung ("Wahrnehmung nur eines Termins ...") als quantitative Beschränkung der Gebührenreduktion, die folglich dann nicht mehr eingreife, wenn derselbe Anwalt mehr als einen Termin wahrnimmt. Der BGH führt zur Begründung aus, dass aus dem Wortlaut von VV 3105 folge, dass die Ausnahmeregelung nicht gelte, wenn der Anwalt an mehreren Terminen teilgenommen hat. Dem stehe auch nicht entgegen, dass mit der verminderten Terminsgebühr dem in der Regel verminderten Aufwand des Anwalts Rechnung getragen werden soll, da die Vorbereitung und Präsenz in einem zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung deutlich den von VV 3105 jedenfalls typischerweise unterstellten Arbeitsaufwand des Anwalts übersteige.[24]

 

Rz. 21

Unter Berücksichtigung der herrschenden Meinung, muss im Bereich der Säumnisentscheidungen hinsichtlich der Entstehung der Terminsgebühr zwischen verschiedenen Fallgestaltungen differenziert werden:

[21] OLG Nürnberg OLGR 2006, 169 = AGS 2006, 163 m. Anm. Schons; Hansens JurBüro 2004, 251.
[22] OLG Celle AGS 2005, 188 m. Anm. Onderka = NJW 2005, 1283; OLG München AGS 2006, 161 m. Anm. Schons; OLG Köln AGS 2006, 372; LG Düsseldorf AGS 2006, 162 m. Anm. Schons; LG Aachen AGS 2006, 373 m. Anm. N. Schneider; LG Bonn AGS 2006, 163 m. Anm. Schons; 50. Tagung der Gebührenreferenten BRAK-Mitt. 6/2005, S. 272.
[23] BGH 18.7.2006 – XI ZB 41/05, AGS 2006, 487 = RVGreport 2006, 428 = NJW 2006, 2927; BGH 26.9.2006 – XI ZB 19/06, RVGreport 2007, 31 u. 268 = FamRZ 2006, 1836.

aa) Zwei Säumnistermine

 

Rz. 22

Die Entscheidung des BGH[25] bezieht sich auf einen Fall, in welchem der Anwalt zunächst in einem gerichtlichen Termin ein Versäumnisurteil erstreitet und sodann nach Einspruch des Beklagten in einem weiteren Verhandlungstermin, bei welchem der Anwalt wiederum anwesend ist, ein zweites Versäumnisurteil ergeht. Hier erhält der Anwalt für die Wahrnehmung des ersten Säumnistermins eine 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105 und für die Wahrnehmung des zweiten Säumnistermins eine 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104, da im zweiten Termin die Gebührenreduzierung nach VV 3105 nicht mehr eingreift. Insgesamt erhält der Anwalt jedoch wegen § 15 Abs. 2 nur eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Hauptsachewert.

[25] BGH 7.6.2006 – VIII ZB 108/05, AGS 2006, 366 m. Anm. N. Schneider und Schons = RVGreport 2006, 304 = NJW 2006, 3430.

bb) Erstes Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren

 

Rz. 23

Ergeht das erste Versäumnisurteil mangels Verteidigungsanzeige des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO und legt der Beklagte dagegen Einspruch ein, beurteilt sich die Gebührenfrage wie folgt: Für das Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erhält der Anwalt des Klägers eine 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105 Abs. 1 Nr. 2. Für seine Teilnahme am Einspruchstermin und den dort gestellten Antrag auf Erlass eines zweiten Versäumnisurteils (§ 345 ZPO) billigt der BGH[26] dem Anwalt die volle Terminsgebühr in Höhe von 1,2 nach VV 3104 zu.

Dies dürfte m.E. im Hinblick auf die im Übrigen vertretene Argumentation des BGH, der Wortlaut von VV 3105 enthalte eine quantitative Beschränkung zwar nicht ganz schlüssig sein. Denn in dem Fall, dass das erste Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergangen ist, hat der Anwalt nur einen einzigen Termin wahrgenommen. Jedoch argumentiert der BGH in diesem Zusammenhang damit, dass die Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO in Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu VV 3105 dem Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 1 ZPO gleichgestellt sei.[27]

Insgesamt erhält der Anwalt wegen § 15 Abs. 2 jedoch nur eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Hauptsachestreitwert. Eine dem § 38 BRAGO vergleichbare Vorschrift, wonach das Verfahren über den Einspruch unter bestimmten Umständen als besondere Angelegenheit galt bzw. der Anwalt die Gebühr für das erste Versäumnisurteil unter bestimmten Umständen besonders erhielt, kennt das RVG nicht.[28]

 

Rz. 24

Wird der Einspruch gegen das Versäumnisurteil allerdings als unzulässig ohne mündliche Verhandlung verworfen, fällt hierfür keine Terminsgebühr an. Es verbleibt in diesem Fall bei der 0,5-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu VV 3105. Eine 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104 kommt hier nicht in Betracht, da das U...

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