Rz. 11

Voraussetzung für den Anfall der Hebegebühr ist, dass der Anwalt von seinem Mandanten (auch) den Auftrag erhalten hat, Gelder auszuzahlen. Zumeist geht damit auch der Auftrag einher, diese Gelder zuvor einzuziehen oder entgegenzunehmen.[11] Denkbar ist aber auch ein isolierter Auszahlungs- oder Weiterleitungsauftrag, der ausreicht, da es nach VV 1009 nur auf die Auszahlung ankommt. Solche Fälle kommen vor, wenn unaufgefordert an den Anwalt gezahlt wird.

 

Beispiel: Der Gegner zahlt unmittelbar an den Anwalt, obwohl er dazu nicht aufgefordert worden war und der Anwalt auch keinen Auftrag hatte, die Forderung einzuziehen.

Soweit der Anwalt den eingegangenen Betrag nicht auf seine Vergütung verrechnet (Anm. Abs. 5), sondern den Auftrag erhält, die Gelder auszuzahlen oder weiterzuleiten, entsteht die Gebühr nach VV 1009.

 

Rz. 12

Meist wird bei der Mandatserteilung darüber nicht gesprochen, so dass in den seltensten Fällen ein ausdrücklicher Auftrag vorliegt. Eine gesetzliche Regelung dazu, inwieweit das Einziehen und Auszahlen von Fremdgeldern noch vom Auftrag erfasst ist, fehlt. Aus § 81 ZPO folgt lediglich die Bevollmächtigung, zu erstattende Kosten des Rechtsstreits zu vereinnahmen. Zur Einziehung von Fremdgeldern berechtigt § 81 ZPO dagegen nicht.[12] In den meisten Fällen wird daher lediglich ein konkludent erteilter Auftrag in Betracht kommen.

 

Rz. 13

Von einem solchen konkludent erteilten Auftrag wird man in aller Regel ausgehen können, wenn der Anwalt nach dem Inhalt seines Mandats Gelder bei der Gegenseite beitreiben und auch einziehen soll[13] oder wenn der Auftraggeber dem Anwalt Gelder zur Weiterleitung übergibt.[14] Das Mandat zur Erledigung eines Auftrags erstreckt sich nämlich mangels entgegenstehender Abreden grundsätzlich auf alle im Zusammenhang mit der Ausführung des Geschäfts anfallenden Maßnahmen und Handlungen, die aus Sicht des Anwalts sinnvoll sind und der zügigen und einfachen Abwicklung dienen. Für den Mandanten ist in diesen Fällen von vornherein klar, dass Gelder fließen sollen. Bei verständiger Betrachtung weiß er oder muss er zumindest wissen, dass der Zahlungsverkehr zweckmäßigerweise über den Anwalt abgewickelt wird. Es kann dem Anwalt auch nicht zugemutet werden, im Laufe der Beitreibung einer Forderung, die häufig in mehreren Teilzahlungen abläuft, ständig beim Mandanten nachzufragen, ob und in welcher Höhe die geforderten Beträge eingegangen sind. Es gehört mit zur Aufgabe des Anwalts nachzuprüfen, ob die Abrechnungen und Zahlungen des Gegners zutreffend und ob alle Nebenpositionen wie Zinsen und Kosten berücksichtigt und bezahlt worden sind. Diese Aufgabe kann der Anwalt im Grunde nur erfüllen, wenn die Zahlungen auch über ihn abgewickelt werden. Es ist nun einmal ein wesentlicher Tätigkeitsbereich des Anwalts, mit fremdem Geld umzugehen. Daher muss man also grundsätzlich von einem konkludent erteilten Auftrag ausgehen, auch Zahlungen entgegenzunehmen. Dies gilt erst recht, wenn in der Vollmachtsurkunde zugleich die Ermächtigung zur Entgegennahme von Geldern enthalten ist.[15] Zwar ersetzt die Vollmacht nicht den Auftrag,[16] sie ist jedoch ein Indiz für dessen Umfang.[17] Will der Mandant nicht, dass der Zahlungsverkehr über den Anwalt abgewickelt wird, so muss er angesichts dieser Sach- und Rechtslage seinen entgegenstehenden Willen rechtzeitig ausdrücklich erklären.[18] Eine andere Frage ist es, ob und inwieweit der Anwalt sich u.U. schadensersatzpflichtig macht, wenn er nicht auf das Entstehen von Hebegebühren hinweist (vgl. Rdn 64 f.). Diese Frage hat jedoch mit dem Entstehen der Gebühr nichts zu tun, sondern betrifft ihre Durchsetzbarkeit, was häufig verwechselt wird.

 

Rz. 14

Zum Teil wird auch in der Entgegennahme der vom Anwalt eingezogenen Beträge die (nachträgliche) konkludente Auftragserteilung gesehen.[19] Dies geht m.E. jedoch zu weit. Ist das Geld erst einmal an den Anwalt gezahlt, muss es zwingend an den Mandanten ausgekehrt werden (§ 43a Abs. 5 S. 2 BRAO). Einen rechtsgeschäftlichen Willen des Mandanten wird man in der Entgegennahme daher wohl nicht sehen können, zumal man ihm wohl kaum zumuten kann, zur Vermeidung der Gebühren die Entgegennahme seines Geldes abzulehnen.[20]

 

Rz. 15

Klarzustellen ist, dass das Mandatsverhältnis auch hinsichtlich des Verwahrungsgeschäfts immer mit dem eigenen Mandanten zustande kommt und er allein – ungeachtet einer eventuellen Erstattungspflicht Dritter – Gebührenschuldner wird. Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, durch die Zahlung des (erstattungspflichtigen) Dritten komme ein Auftragsverhältnis zwischen diesem und dem Anwalt zustande, so dass dieser auf die Hebegebühren hafte,[21] ist dies rechtlich nicht zu begründen.[22] Hier wird wieder einmal die Frage des Entstehens der Gebühren mit der Frage ihrer Erstattung verwechselt.

[12] LG Karlsruhe 5.3.2019 – 3 O 22/14, AGS 2019, 253; a.A. AG Westerstede AGS 1994, 84.
[13] AG Speyer VersR 1978, 930.
[14] Gerold/Schmidt/May...

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