Rz. 126

Nach einer Auffassung gilt § 15 Abs. 3 schon seinem Wortlaut nach bzw. wird entsprechend angewandt, wenn in derselben Angelegenheit neben einer Mehrfachvertretung mit identischem Gegenstand (z.B. für zwei Personen) von dem Anwalt auch noch eine Einzelvertretung (z.B. für eine dieser Personen) wahrgenommen wird. Dann sollen nämlich für Teile des Gesamtwertes verschiedene Gebührensätze eingreifen: Einerseits gelten 1,6 hinsichtlich des Gegenstandswertes der Mehrfachvertretung und zum anderen 1,3 für den Gegenstandswert der Einzelvertretung (vgl. § 15 Rdn 231 ff.).[254]

 

Beispiel: Der Anwalt klagt für die Eheleute S eine gemeinsame Mietforderung von 4.500 EUR und für Frau S einen Schadensersatzanspruch von 720 EUR ein, weil der Mieter M beim Einparken ihr Fahrrad beschädigt hat. M soll also 5.220 EUR zahlen, und zwar davon 4.500 EUR an beide Kläger als Gesamtgläubiger.

Die Verfahrensgebühr des Anwalts berechnet sich (netto) wie folgt:

 
1,6-Gebühr (VV 3100 + VV 1008), Wert 4.500 EUR 534,40 EUR
1,3-Gebühr (VV 3100), Wert 720 EUR 114,40 EUR
Gesamt 648,80 EUR

Gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als eine 1,6 Verfahrensgebühr (Wert 5.220 EUR) mit 624 EUR, die hier die Obergrenze bilden.[255]

 

Rz. 127

Es wird bei dieser Berechnungsweise somit zunächst die nach VV 1008 erhöhte Verfahrensgebühr aus dem Wert berechnet, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind (4.500 EUR). Sodann wird noch eine nicht erhöhte Verfahrensgebühr aus dem Wert berechnet, an dem nur einer der Auftraggeber beteiligt ist (720 EUR). Schließlich wird nach § 15 Abs. 3 geprüft, ob eine nach dem höchsten angewandten Gebührensatz (1,6) nach dem Gesamtstreitwert (5.220 EUR) berechnete Verfahrensgebühr nicht überschritten wird.

 

Rz. 128

§ 15 Abs. 3 ist bei Anfall der Verfahrensgebühr VV 3100 neben einer erhöhten Verfahrensgebühr VV 3100, 1008 nicht einschlägig, so dass dieser Auffassung nicht gefolgt werden kann. Denn § 15 Abs. 3 setzt voraus, dass für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden sind, also verschiedene Gebührentatbestände aufeinandertreffen.[256] Hierdurch soll vermieden werden, dass in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit Mehrkosten anfallen, wenn für Teile des Gegenstands Gebühren mit unterschiedlichen Gebührensätzen anfallen. Bei Entstehung der Verfahrensgebühr neben einer nach VV 1008 erhöhten Verfahrensgebühr treffen aber keine verschiedenen Gebührentatbestände mit unterschiedlichen Gebührensätzen zusammen. Vielmehr fällt als Ausgangsgebühr für den gesamten Streitwert eine Verfahrensgebühr an, die nur für einen Teilwert nach VV 1008 zu erhöhen ist.[257]

[254] So Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, § 15 Rn 42 ff.; AnwK-RVG/Schnapp, 5. Aufl., VV 1008 Rn 49; LG Saarbrücken AGS 2012, 56 = NJW-Spezial 2012, 27; AG Augsburg AGS 2008, 343 m. Anm. N. Schneider; LG Bonn AGS 1998, 115; OLG Hamburg MDR 1978, 767; Lappe, Rpfleger 1981, 94; N. Schneider, MDR 1998, 1439 f.; Hergenröder, AGS 2007, 53; N. Schneider, VRR 2007, 176.
[255] Ein weiteres Bsp. findet sich bei Enders, JurBüro 2005, 409.
[256] Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, § 15 Rn 35.
[257] So zutr. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 1008 Rn 231 ff.; OLG Celle AGS 2014, 165 = RVGreport 2014, 151 = VRR 2014, 273.

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