Rz. 203

Das Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (SpruchverfahrensG – SpruchG) vom 12.6.2003, in Kraft getreten am 1.9.2003, wurde zuletzt geändert durch das 2. KostRMoG.

Beschwerdeverfahren nach dem SpruchG wurden bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG nach den VV 3500 ff. vergütet.[71]

 

Rz. 204

VV Vorb. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. i ist durch das 2. KostRMoG in die VV Vorb. 3.2.1 neu aufgenommen worden, um eine Vergütung der Verfahren nach dem SpruchG nach VV Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 zu erreichen.

 

Rz. 205

Mit der neuen VV Vorb. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. i sollte die Anwendbarkeit der VV 3200 ff. auf Beschwerdeverfahren nach dem SpruchG erweitert werden. Nach zutreffender Ansicht des Gesetzgebers sind Beschwerden nach dem SpruchG nach Umfang, Bedeutung und Schwierigkeit mit einem zivilrechtlichen Klageverfahren in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten vergleichbar, weil sie sich rechtlich und tatsächlich aufwändig gestalten, regelmäßig umfangreiche Beweisaufnahmen nach sich ziehen und über Jahre andauern.

Zudem sind regelmäßig auch die wirtschaftlichen Konsequenzen für das Unternehmen und die Gesellschafter von erheblichem Ausmaß, zumal sich die Wirkungen einer Entscheidung nach dem SpruchG nicht nur inter partes entfalten (§ 13 S. 2 SpruchG).

 

Rz. 206

Der Umfang eines Beschwerdeverfahrens nach § 12 SpruchG geht damit eher noch über den eines durchschnittlichen Berufungsverfahrens hinaus und ist mit den übrigen, ebenfalls in der VV Vorb. 3.2.1 Nr. 2 genannten Verfahren jedenfalls vergleichbar.[72] Die Aufwertung dieser Verfahren ist deshalb sachgerecht.

 

Rz. 207

Das Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren ist nach § 1 SpruchG anzuwenden auf das gerichtliche Verfahren für die Bestimmung

des Ausgleichs für außenstehende Aktionäre und der Abfindung solcher Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304 und 305 des AktG);
der Abfindung von ausgeschiedenen Aktionären bei der Eingliederung von Aktiengesellschaften (§ 320b AktG);
der Barabfindung von Minderheitsaktionären, deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung auf den Hauptaktionär übertragen worden sind (§§ 327a bis 327f AktG);
der Zuzahlung an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern anlässlich der Umwandlung von Rechtsträgern (§§ 15, 34, 122h, 122i, 176 bis 181, 184, 186, 196 oder 212 des UmwandlungsG);
der Zuzahlung an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern bei der Gründung oder Sitzverlegung einer SE (§§ 6, 7, 9, 11 und 12 des SE-Ausführungsgesetzes);
der Zuzahlung an Mitglieder bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft (§ 7 des SCE-Ausführungsgesetzes).
 

Rz. 208

In den in § 1 SpruchG genannten Angelegenheiten entscheidet das Gericht durch Beschluss (§ 11 Abs. 1 S. 1 SpruchG). Gegen die gerichtlichen Entscheidungen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SpruchG findet die Beschwerde statt (§ 12 Abs. 1 S. 1 SpruchG). Die Beschwerdeverfahren richten sich nach den §§ 58 ff. FamFG.

 

Rz. 209

Die isolierte Anfechtung eines Beweisbeschlusses sowie die Anordnung einer Vorauszahlung für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind im aktienrechtlichen Spruchverfahren ausgeschlossen.[73] Es besteht auch keine Möglichkeit der Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gemäß § 6 SpruchG.[74]

 

Rz. 210

Verfahren nach dem SpruchG gelten als Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 GNotKG), so dass der Gesetzgeber sie bereits in die VV Vorb. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b n.F. aufgenommen und damit durch die Einführung der VV Vorb. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. i doppelt erfasst haben dürfte (siehe Rdn 84). Möglicherweise aber wollte der Gesetzgeber sie von den übrigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit deshalb unterscheiden, weil ihre verfahrensrechtliche Ausgestaltung sich teilweise kraft einzelner Verweisungen nach der ZPO richtet (§ 8 Abs. 3 i.V.m. §§ 279 Abs. 2 und 3, 138, 139 ZPO, § 11 Abs. 4 S. 1 SpruchG i.V.m. § 169 ZPO etc.) und das Verfahren deshalb nicht allein von den im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit maßgeblichen Grundsätzen geprägt ist.

[71] Schneider/Thiel, § 3 Rn 903.
[72] Schneider/Thiel, § 3 Rn 906.
[73] OLG Düsseldorf AG 2012, 226.

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