Rz. 74

Streitgenossen sind nicht verpflichtet, ihre Kostenerstattungsansprüche gemeinsam anzumelden.[89] Betreibt ein Streitgenosse allein die Festsetzung (Einzelanmeldung),[90] so kommt es darauf an, von welcher Kostenlast der Gegner ihn freizustellen hat. Der BGH[91] vertritt unter Aufgabe einer früheren Rechtsprechung des BGH[92] hierzu die Auffassung, dass der einzelne Streitgenosse grundsätzlich nur in Höhe eines Bruchteils, der seiner wertmäßigen Beteiligung entspricht, mit den gemeinsamen Anwaltskosten belastet ist.[93] Wenn der Gegner diesen Betrag erstatte, bleibe der Streitgenosse im Allgemeinen "auf Dauer und vollständig von außergerichtlichen Kosten befreit".[94] Das werde "durch den für den Regelfall gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich im Innenverhältnis der Gesamtschuldner erreicht (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB)".[95] Ausnahmsweise – soweit der Innenausgleich an der Zahlungsunfähigkeit eines ausgleichungspflichtigen Streitgenossen scheitere – habe er einen weiter gehenden Erstattungsanspruch bis zur Höhe seines Haftungsanteils[96] (siehe dazu auch § 48 Rdn 93 ff.).[97]

 

Rz. 75

Dieser Ansicht des BGH liegt die Prämisse zugrunde, die Freistellung des Streitgenossen von Anwaltskosten über den Bruchteil seiner wertmäßigen Beteiligung hinaus erfolge durch einen gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich. Eine derartige Ausgleichungspflicht ist jedoch weder gesetzlich vorgeschrieben noch für den Regelfall anzunehmen. Die interne Haftungsverteilung nach Wertteilen, die der BGH für die externe Haftung zu Lasten des Gegners annimmt, stellt bereits eine Abweichung von der (gesetzlichen) kopfteiligen Zuordnung nach der bloßen Hilfsregel des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Sie entspricht zwar grundsätzlich den Belangen der nach Abs. 2 haftenden Auftraggeber, greift aber dann nicht ein, wenn eine andere Verteilung in ihrem Sinne liegt. Hier würde die Regulierung nach Wertanteilen den Interessen der Streitgenossen zuwider laufen.

[89] OLG München JurBüro 1988, 1187.
[90] Praktisch bedeutsam ist der Fall, dass nach einem Zerwürfnis ein oder mehrere Streitgenossen den Anwalt gewechselt haben (OLG Hamm 31.1.2000 – 23 W 506/99, n.v.) oder dass ein Streitgenosse vorzeitig aus dem Verfahren ausgeschieden ist (OLG Hamm 16.9.2002 – 23 W 274/02, n.v.) oder dass einer insolvent geworden ist (OLG Hamm 8.9.2003 – 23 W 163/03, n.v.).
[91] BGH 20.2.2006 – II ZB 3/05, AGS 2006, 620 = RVGreport 2006, 235 = NJW 2006, 3571; BGH 30.4.2003 – VIII ZB 100/02, NJW-RR 2003, 1217 (VIII. ZS); ebenso der I. ZS: BGH 17.7.2003 – I ZB 13/03, NJW-RR 2003,1507; abweichend jedoch in Haftpflichtsachen (BGH 25.10.2005 – VI ZB 58/04, AGS 2006, 92 = MDR 2006, 476); so auch OLGR Köln 2009, 526; OLG Koblenz JurBüro 2008, 428; OLG Koblenz AGS 2007, 544 = RVGreport 2008, 270 = JurBüro 2007, 370; KG RVGreport 2008, 138; OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 509; a.A. OLG Hamm AGS 2005, 34 = JurBüro 2005, 91.
[92] BGH 12.2.1954 – I ZR 106/51.
[93] Zu diesem Verteilerschlüssel siehe auch BGH 15.3.2007 – V ZB 1/06, NJW 2007, 1869 für das Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander.
[96] OLG Koblenz AGS 2007, 544 = RVGreport 2008, 270 = JurBüro 2007, 370.
[97] Das OLG Koblenz (RVG-Letter 2004, 84) nimmt einen derartigen Ausnahmefall auch an, wenn dem Streitgenossen PKH gewährt wurde. Dem liegt die unrichtige Annahme zugrunde, der Anwalt könne von der Staatskasse nur die Erhöhung der Verfahrensgebühr verlangen.

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