Rz. 16

Verfassungsrechtlich geboten ist mithin der Zugang zum Recht über das Erfolgshonorar für den mittellosen Auftraggeber, der von der Inanspruchnahme von Prozesskosten- und Beratungshilfe ausgeschlossen ist. Er ist auf die Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung zwingend angewiesen, um seine Rechte überhaupt geltend machen zu können. Der unbemittelte Rechtsuchende ohne Anspruch auf das staatliche Armenrecht ist daher der Prototyp der gesetzlichen Neuregelung; er kann sich daher stets auf Abs. 1 berufen.[18] Die Definition der Mittellosigkeit wird in der Praxis freilich zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen.[19]

 

Rz. 17

Das bisherige Verbot, im Rahmen der Beratungshilfe Vereinbarungen und damit auch erfolgsabhängige Vereinbarungen zu schließen, ist zum 1.1.2014 durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts aufgehoben worden, so dass auch hier erfolgsabhängige Vereinbarungen möglich sind.

 

Rz. 18

Das BVerfG hat den Anwendungsbereich eines zu schaffenden Ausnahmetatbestands ohnehin nicht explizit auf den bedürftigen Auftraggeber beschränkt. Nach dem Verständnis des Reformgesetzgebers sollen von der Möglichkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars daher auch diejenigen Rechtsuchenden profitieren, die vermögend sind und deshalb keine Prozesskosten- oder Beratungshilfe erlangen können. Auch vermögende Mandanten oder mittelständische Unternehmen können vor der Entscheidung stehen, ob sie das finanzielle Risiko eingehen wollen, das ein Prozess mit unwägbarem Ausgang birgt. Auch sie sollen daher die Möglichkeit erhalten, mit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars ihr Kostenrisiko zu begrenzen.[20] Diese Möglichkeit soll nicht nur dem "armen Mann" eröffnet sein; auch der Mittelstand soll nach dem Verständnis des BVerfG von der Neuregelung profitieren.[21]

 

Rz. 19

Entscheidend ist danach nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Auftraggebers, sondern das mit der Verfolgung seiner Rechte verbundene wirtschaftliche Risiko.[22] Je höher es ist, desto plausibler erscheint eine Berufung auf Abs. 1 S. 1. Dessen Voraussetzungen werden also namentlich dann erfüllt sein, wenn der Auftraggeber um Vermögensrechte streitet, die den einzigen oder wesentlichen Bestandteil seines Vermögens ausmachen.[23] In Betracht kommen dabei etwa

ein hoher Erbanteil
ein hoher Entschädigungsbetrag
eine hohe, aber streitige Schmerzensgeldforderung
der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens
ein riskanter Bauprozess.
 

Rz. 20

Materiell-rechtlich erweist sich die Fassung des Abs. 1 damit als weite Regelung. Sie überlässt es letztlich dem argumentativen und sprachlichen Geschick der Vertragsparteien, unter Hinweis auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten und die wirtschaftlichen Risiken der Rechtsverfolgung einen Ausnahmetatbestand i.S.d. § 49b Abs. 2 BRAO i.V.m. § 4a zu definieren und sodann formgerecht zu dokumentieren. Die Motive sprechen diplomatisch von einem "flexiblen Maßstab".[24] Insgesamt wird der Rechtsanwalt mit jedem Mandanten, der nicht auf Prozesskosten- oder Beratungshilfe verwiesen werden kann, ein Erfolgshonorar zulässig vereinbaren können. Insofern wäre es konsequenter gewesen, das Erfolgshonorar freizugeben.[25]

 

Rz. 21

Sofern es bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Erfolgshonorars auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankommt, sind die Angaben des Mandanten im Zeitpunkt der Vereinbarung maßgeblich. Anderenfalls wäre der Anwalt verpflichtet, vor dem Abschluss der Vereinbarung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seines Auftraggebers einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Eine Prüfungspflicht diesen Inhalts und Umfangs könnte der Anwalt schon aus tatsächlichen Gründen schlechterdings nicht erfüllen. Auch rechtlich trifft den Anwalt grundsätzlich keine eigene, über die Befragung des Mandanten hinausgehende Ermittlungs- oder Nachforschungspflicht.[26]

[18] Diese Konstellation lag auch der Verfassungsbeschwerde BVerfG NJW 2007, 979 ff. zu Grunde.
[19] Kilian, BB 2007, 1061, 1064.
[20] So BT-Drucks 16/8916, S. 17; BT-Drucks 16/8384, S. 9; Gegenäußerung Bundesregierung a.a.O., S. 7; von Seltmann, BRAK-Mitt. 2008, 99. Zu der schwierigen Bestimmung des Personenkreises nach Abs. 1 S. 1: Mayer, AnwBl 2007, 561, 565.
[21] So der Verfassungsrichter Dr. Gaier anlässlich des 4. Hannoveraner ZPO-Symposions am 22.9.2007, vgl. Lührig, AnwBl 11/2007, S. VIII.
[22] BT-Drucks 16/8916, S. 17.
[23] Vgl. Plenarprotokoll 16/151 v. 13.3.2008, S. 15945; BT-Drucks 16/8384, S. 14.
[24] BT-Drucks 16/8916, S. 17.
[25] So etwa Grunewald, AnwBl 2007, 469 ff.; M. Hartung, AnwBl 2008, 396, 399.
[26] Henssler, JZ 1994, 178; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl. 2003, Rn 180.

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