Rz. 118

Wird der Anwalt erst im Rechtsmittelverfahren bestellt oder beigeordnet, gilt Abs. 6 S. 2. Auch diese Vorschrift enthält eine Rückwirkungsfiktion, allerdings nur begrenzt auf die jeweilige Rechtsmittelinstanz.

 

Beispiel: Der Anwalt wird erstmals im Berufungsverfahren als Verteidiger beauftragt. Im zweiten Hauptverhandlungstermin wird er vom Gericht als Pflichtverteidiger bestellt.

Der Anwalt erhält jetzt aus der Landeskasse nicht nur die Terminsgebühr für die zweite Hauptverhandlung, sondern auch die Terminsgebühr für die erste Hauptverhandlung, die Verfahrens- und auch die Grundgebühr.

 
1. Grundgebühr, VV 4100   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 4124   282,00 EUR
3. Terminsgebühr, VV 4126   282,00 EUR
4. Terminsgebühr, VV 4126   282,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.042,00 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   197,98 EUR
Gesamt   1.239,98 EUR
 

Rz. 119

War der Verteidiger bereits in der Vorinstanz tätig, so erhält er Gebühren, die dort schon verdient worden sind, nicht aus der Landeskasse. Er erhält in diesem Falle auch nicht die Vergütung für das vorbereitende Verfahren, da im Gegensatz zu Abs. 6 S. 1 in Abs. 6 S. 2 eine entsprechende Erstreckung fehlt.

 

Beispiel: Der Anwalt war in erster Instanz erstmals beauftragt. Dort ist der Mandant in der ersten Hauptverhandlung verurteilt worden. Im Berufungsverfahren wird der Anwalt im zweiten Hauptverhandlungstermin als Pflichtverteidiger bestellt.

Der Anwalt erhält in diesem Fall aus der Landeskasse neben der zweiten Terminsgebühr auch die erste Terminsgebühr im Rechtsmittelverfahren und die Verfahrensgebühr.

Die Grundgebühr kann er dagegen aus der Landeskasse nicht beanspruchen, da diese Gebühr bereits im erstinstanzlichen Verfahren angefallen ist und Abs. 6 S. 2 die Beiordnung darauf nicht erstreckt.

Er erhält lediglich:

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4124   282,00 EUR
2. Terminsgebühr, VV 4126   282,00 EUR
3. Terminsgebühr, VV 4126   282,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 866,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   164,54 EUR
Gesamt   1.030,54 EUR

Auch die übrigen Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens kann der Anwalt nicht aus der Landeskasse verlangen.

 

Rz. 120

Erst Recht kann der im Rechtsmittelverfahren bestellte oder beigeordnete Anwalt nicht die Vergütung eines vorbereitenden Verfahrens verlangen, da Abs. 6 S. 2 – im Gegensatz zu Abs. 6 S. 1 – insoweit keine Rückwirkung enthält.

 

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch war der Anwalt bereits im vorbereitenden Verfahren beauftragt.

Aus der Landeskasse erhält der Anwalt – wie im vorangegangenen Beispiel – wiederum nur die Gebühren für das Berufungsverfahren. Die Gebühren für die erste Instanz erhält er wie im vorangegangenen Beispiel nicht. Darüber hinaus erhält er auch nicht die Vergütung für das vorbereitende Verfahren, da sich im Falle des Abs. 6 S. 2 die Bestellung nicht auch auf das vorbereitende Verfahren erstreckt.

 

Rz. 121

Die Erstreckung wirkt auch nur für das jeweilige Rechtsmittelverfahren. Sie wirkt nicht auf ein anderes Rechtsmittelverfahren zurück.

 

Beispiel: Der Anwalt ist in erster Instanz, im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren als Verteidiger tätig. Er wird im Revisionsverfahren als Pflichtverteidiger bestellt.

Aus der Landeskasse kann der Anwalt nur die Vergütung für das Revisionsverfahren erhalten. Die Beiordnung erstreckt sich nach Abs. 6 S. 2 nicht auch auf ein vorangegangenes Rechtsmittelverfahren.

 

Rz. 122

Eine Möglichkeit, dass das Gericht eine Rückwirkung der Beiordnung oder Bestellung anordnet, wie im Fall des Abs. 6 S. 3, ist nicht möglich.

 

Rz. 123

Zu den Fällen der Verbindung und Trennung im Rechtsmittelverfahren siehe Rdn 173 ff., 181 ff.

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